„Vegane Ernährung steigert Leistung nicht“

von Redaktion

Fachmann Hauner über Mythen, Mangelerscheinungen und Geschäftssinn

Prof. Dr. Hauner, Serge Gnabry ernährt sich inzwischen nicht mehr vegan. Lewis Hamilton, Novak Djokovic und Serena Williams tun das aber weiterhin. Hochleistungssport und vegane Ernährung schließen sich folglich nicht aus?

Ja, das ist richtig. Vegane Ernährung ist natürlich einseitig und bisweilen kritisch, weil der eine oder andere Nährstoff fehlt oder zu knapp ist. Die Profisportler haben aber in der Regel eine gute medizinische Betreuung. So ist eine vollwertige Ernährung möglich, mit der man auch Hochleistungssport betreiben kann. Wichtig ist für diese Sportler immer auch, dass sie genügend Muskelmasse aufbauen können – und mit pflanzlichem Eiweiß bekommt man durchaus die Eiweiß-Qualität hin, die man braucht. Allerdings muss man die richtigen Eiweißquellen wählen, zum Beispiel Hülsenfrüchte und Soja. Aber: Eine Ernährung mit Fleisch und Milchprodukten bietet das optimale Nährstoffprofil. Ein Profisportler kann sich aber auch bestens vegetarisch ernähren.

Kann die Ernährung mit rein pflanzlichen Lebensmitteln für Profisportler Vorteile bringen?

Ich würde sagen, dass vegane Ernährung für einen Profisportler keine Leistungsvorteile haben kann. Es gab in Dachau mal eine Volleyballmannschaft, bei der der Trainer geglaubt hat, er würde den Aufstieg schaffen, wenn sich alle Spieler vegan ernähren. Das ist natürlich Unsinn! Mit veganer Ernährung lässt sich die Leistung nicht steigern. Man kann den Körper allerdings so versorgen, dass er Hochleistungssport betreiben kann. Mehr aber auch nicht.

Sie haben bereits erwähnt, dass bei veganer Ernährung einige Stoffe fehlen. Welche?

Am stärksten fehlt Vitamin B12, das es sonst nur in tierischen Lebensmitteln gibt. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung muss Vitamin B12 gezielt ergänzt werden. Ich gehe davon aus, dass die Hochleistungssportler das auch tun. So richtig eng wird es bei anderen Stoffen wie Eiweiß, Eisen oder Calcium nicht. Wir alle sind aber knapp mit Jod versorgt. Ich würde Profisportlern deshalb extra Jod geben. Wenn man sich gut vegan ernährt, nimmt man genug essenzielle Fettsäuren, gute Kohlenhydrate und genug Ballaststoffe zu sich.

Serena Williams hat ihre Ernährung aufgrund einer Autoimmunerkrankung umgestellt, Novak Djokovic leidet heute nicht mehr unter Allergien. Hamilton führte Stimmungsschwankungen und Magenprobleme an. Wie sehen Sie das?

Das halte ich alles nicht für wirklich plausibel. Das mögen die Profisportler vielleicht so empfinden, aber wenn man sich das objektiv anschaut, kann man solche Aussagen nicht grundsätzlich treffen. Oft hilft eher das Weglassen von zuvor konsumierten und problematischen Lebensmitteln oder Nahrungsbestandteilen.

Es gibt viele Umsteiger, die davon berichten, sich bei veganer Ernährung schneller zu erholen.

Das halte ich auch für Wunschdenken und für nicht belegbar. Die Nährstoffe sind am Ende die gleichen. Ich wüsste nicht, wie die schnellere Erholung klappen sollte. Allerdings ist immer die Frage, wie die Ernährung zuvor aussah.

Was sind die Motive für den Umstieg?

Es gibt heute viele Menschen und eben auch viele Profisportler, die die heutige Massentierhaltung nicht mehr unterstützen möchten. Das Motiv des Tierwohls spielt hier eine entscheidende Rolle. Und wenn man einen Hamburger mit einem pflanzlichen Patty belegt, hat das auch einen ökologischen Vorteil. Für die Fleischherstellung werden wesentlich mehr Futtermittel und Wasser benötigt, zudem ist die Treibhausgas-Emission deutlich höher. Es spricht viel dafür, den Fleischkonsum einzuschränken. Aber ob das so einseitig sein muss, ist fraglich. Ich bin da eher Pragmatiker und sage: „Weniger Fleisch, mehr pflanzliche Produkte. Aber nicht ganz so extrem.“ Was zudem kritisch anzumerken ist: Die vegane Ernährung ist ein Riesen-Markt geworden, in den immer mehr Hersteller drängen. Das beste Beispiel sind die Hersteller von Wurstwaren. Die leben jetzt überwiegend von ihren veganen Produkten, weil die Gewinnmargen bei echter Wurst im Supermarkt und Discounter so niedrig sind. Für vegane Wurst zahlen die Kunden – salopp formuliert – ohne mit der Wimper zu zucken ein Mehrfaches. Deshalb bewerben diese Firmen die vegane Ernährung auch massiv. Zum einen aus Imagegründen, zum anderen weil ganz andere Gewinnspannen zu erwarten sind. Vegane Lebensmittel sind somit ein gutes Geschäft.

Interview: Jonas Austermann

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