München – Peter Hyballa (44) hat schon Klubs in Namibia und der Slowakei trainiert, insgesamt kommt er auf 17 Stationen im In- und Ausland, war beim DFB. In Dortmund förderte er einst einen talentierten Burschen namens Mario Götze. Hyballa ist ein absoluter Fachmann, ein etwas anderer Experte. Zum Rückrunden-Start spricht er im Interview.
Herr Hyballa, der Titelkampf ist spannend wie zuletzt selten.
Das ist geil! Ich habe aus der Slowakei immer verfolgt, wer gerade vorne ist. Endlich ist es wieder spannend, da haben sich ganz viele Leute nach gesehnt. Das Interessante an den Bayern-Konkurrenten ist, dass sie sehr dominant spielen. Gladbach und Leipzig halten an ihrer Philosophie fest. Die mauern nicht nur und stehen mit Glück oben in der Tabelle. Und selbst wenn die mal nicht gewinnen, haben sie an ihrer Handschrift festgehalten.
Was unterscheidet Julian Nagelsmann und Marco Rose von anderen talentierten Trainern?
Viele Jugendtrainer haben Mut. Das kommt aber auch daher, dass bei den Spielen nur 150 Zuschauer am Rand stehen und nach drei Niederlagen keiner sofort entlassen wird. Die Trainer, die es aus dem Nachwuchsbereich in die Bundesliga schaffen, ziehen ihren Stil auch vor 50 000 Zuschauern durch. Das ist stark! Dafür muss man Eier haben und die Idee, die man hat, total häufig trainieren und die Mannschaft mitnehmen. Es ist eine Eigenart der Trainer heutzutage, dass sie eigensinnig sind. Jürgen Klopp, der Trainer des Jahres, ist eigensinnig. Nagelsmann und Christian Streich sind auch eigensinnige Typen – mit einer klaren Idee dahinter.
Was braucht Leipzig, um tatsächlich Meister zu werden?
Ich glaube, dass Nagelsmann seiner Spielidee total treu bleibt und das Selbstbewusstsein mit jedem Sieg steigt. Die Frage ist, ob sich das Team kurz vor einem Riesen-Triumph auch belohnt. Es ist eine psychologische Geschichte, ob man dann den letzten Schritt gehen kann. Beim FC Bayern bleiben sie bis zum Schluss cool, weil die Spieler das alles schon zigmal erlebt haben. Das ist bei Dortmund, Gladbach und Leipzig etwas anders. Wenn die Bayern dieses Jahr auch noch Meister werden, können sie sagen: „Seht ihr, wir haben die anderen mal ein bisschen schnuppern lassen, aber am Ende haben wir sie doch wieder alle überholt.“ Vielleicht macht das ja sogar noch mehr Spaß. Jetzt kümmern sich gerade alle um Leipzig und Gladbach – Bayern steht im Schatten. Dieses Jägersein ist super spannend.
Vor dem Rückrundenauftakt hat Hansi Flick viele Personalsorgen. Ist der Kader zu klein?
Der Vorteil an einem kleineren Kader ist, dass jeder Spieler wichtig ist und man nicht so viele Unzufriedene hat. Außerdem sieht man jetzt, dass die 18- und 19-Jährigen aus der zweiten Mannschaft einspringen müssen und direkt wichtig sind. Bei einem 25-Mann-Kader ist so ein Talent nie wichtig, in den letzten Jahren kamen ja auch nicht viele Talente hoch beim FC Bayern. Die blödeste Idee im deutschen Fußball war übrigens, die Pflicht von U23-Mannschaften aufzuheben. Außer den drei, vier Wunderspielern wie Mario Götze und Kai Havertz ist mit 17 oder 18 Jahren noch keiner bereit für die Bundesliga. Bayern hat eine gute U23 und die wird jetzt durch eine Notsituation plötzlich wichtig.
Leipzig, Gladbach, Bayern – und Dortmund. Wird Erling Haaland der Schlüssel zum Erfolg?
Das ist ein richtiger Mittelstürmer, der einen guten Riecher hat und die Bälle reinschießt. Ein großes Problem im deutschen Fußball ist, dass wir unheimlich viel überlegen, wie wir Torchancen vorbereiten können. Aber wir schießen den Ball dann eben nicht ins Tor. Da sollte man den alten Spruch „Ein Stürmer wird an Toren gemessen“ mal wieder herauskramen. Bayern hat mit Lewandowski einen Knipser, Leipzig mit Timo Werner und beim BVB war die Last bisher auf verschiedene Schultern verteilt. Wenn Haaland der neue Anführer im Sturm wird, dann bekommen sie einen großen Pluspunkt dazu.
Interview: Jonas Austermann