Warum es früher im Sport weniger Vereinswechsel gab

von Redaktion

Uwe Seeler spielte immer nur für einen Verein: seinen HSV. Als Zehnjähriger trat er 1946 ein, nach dem Krieg. In der Bundesliga kam er auf 476 Partien. Im Rückblick erstaunlich: Eine große Nummer war der HSV zu Seelers Zeit nicht, die besten Zeiten erlebte er erst zwei Generationen später, in den 80er-Jahren.

Natürlich hätte Uwe Seeler, einer der besten Mittelstürmer der Welt, wechseln können. 1961 reiste eine Delegation von Inter Mailand nach Hamburg, quartierte sich im Hotel Atlantic ein und bearbeitete Seeler mehrere Tage lang mit ihrer Offerte. „Uns Uwe“ blieb beim HSV – in Talkshows hat er es später so begründet: „Ich kann doch nicht dreimal am Tag ein Steak essen.“ Eines genüge, und das könne er sich auch mit dem HSV-Gehalt leisten.

Die soziale Schwelle für eine Veränderung war in den frühen Zeiten des Profisports einfach höher. Man spielte für den Verein, bei dem man ausgebildet worden war. Es gab auch noch keine Spielervermittler, sondern in den ersten Jahren der 1963 gegründeten Fußball-Bundesliga nur einige wenige Herren, die sich „Spielermakler“ nannten und bei Spielern brieflich nachfragten, ob sie Interesse hätten, sich vertreten zu lassen.

Die Macht der Vereine war größer. Auch wenn der Vertrag mit einem Spieler ausgelaufen war, hatten sie noch Zugriff auf ihn, hätten von einem anderen Club Ablöse verlangen können. Erst 1995 wurde dieses System durch die erfolgreiche Klage des belgischen Profis Jean-Marc Bosman gekippt. Seitdem sitzen die Spieler am längeren Hebel. Das Bosman-Urteil veränderte den gesamten europäischen Sport. Es fielen auch die bis dahin gültigen Ausländerbeschränkungen, die Spielermärkte wurden internationaler.

Aufreger konnten Wechsel aber auch schon früher sein. Ein Beispiel aus dem Eishockey: Der heute 80-jährige Otto Schneitberger wollte 1963, mit 24 Jahren und der Ambition, Architekt zu werden, seinen Heimatverein EC Bad Tölz verlassen und sich der Düsseldorfer EG anschließen. Er bekam keine Freigabe und wurde 18 Monate lang vom Verband gesperrt. Gleiches widerfuhr seinem Kollegen Sepp Reif, auch er ein Star der damaligen Zeit. Heute würde man sagen: Berufsverbot. Es wäre widerrechtlich. Vor allem wurden beide Spieler daheim massiv angefeindet. Doch ihrem Beispiel folgten in den Jahren danach weitere bayerische Stars. In den 70ern waren Berlins, Kölns und Düsseldorfs Teams voller Tölzer, Landshuter, Füssener, Garmisch-Partenkirchner.

Im Handball kamen die Romantiker unter den Fans eher auf ihre Kosten. Die großen Stars der 70er- und 80er-Jahre blieben in der Regel bei ihrem Verein. Kurt Klühspies spielte immer nur für Großwallstadt, Heiner Brand war von Gummersbach nicht wegzubekommen, Arno Ehret prägte den TuS Hofweier. Nach der Spielerkarriere übernahmen sie andere Funktionen in ihrem Verein.

Uwe Seeler, der unfassbar treue Fußballer, hat übrigens neben dem HSV offiziell noch einen zweiten Verein in seinem Lebenslauf stehen. Doch das geschah versehentlich. Sechs Jahre nach seinem letzten Spiel für den Hamburger SV bat ihn Adidas, die Firma, für die er arbeitete, ein Match für den irischen Club Cork Celtic zu bestreiten. Seeler dachte, es handelte sich um ein Freundschaftsspiel, locker schoss er zwei Tore. Erst hinterher erfuhr er, dass es ein offizielles Punktspiel der ersten englischen Liga gewesen war. Er ärgerte sich. GÜNTER KLEIN

Artikel 3 von 33