London – Scheinbar mühelos stemmte der überglückliche Paradiesvogel Peter Wright im Konfettiregen die 20 Kilo schwere Sid-Waddell-Trophy in die Höhe. Für den Darts-Star aus Schottland war der Triumph im Tollhaus Alexandra Palace, die Ankunft auf dem Darts-Thron, eine einzige Genugtuung – nach verlorenen Endspielen, vielen Selbstzweifeln und großen Geldsorgen.
Mit 13 Jahren bekam der in bescheidenen Verhältnissen groß gewordene Peter seine ersten Dartpfeile geschenkt. Doch weil ihm seine Mutter kein Board kaufen konnte, warf Wright auf Bäume, die er vorher mit Zielen bemalt hatte. Es ist nur eine Episode aus seinem Leben ohne Glanz und Geld.
Mitte der 1970er-Jahre wuchs Wright in den Armengegenden von London auf, nachdem seine Mutter mit ihrem Sohn früh aus der schottischen Heimat geflüchtet war. Der Vater war weg, die Behörden in Schottland drohten, Peter aus der Familie zu holen. Über 40 Jahre später ist Wright als Weltmeister auf dem Höhepunkt einer Karriere angekommen, die eigentlich schon zu Ende war.
Vor der WM 2014 stand der Entschluss fest: Für die Profilaufbahn reicht es nicht. „Wir mussten uns eingestehen, dass das Leben als Profi zu wenig abwarf. Das Geld reichte einfach nicht. 2013 entschieden wir, dass die kommende Weltmeisterschaft meine letzte sein würde“, sagte Wright einst in einem Interview der „Welt“. Wir, das sind Wright und seine Frau Joanne, die ihn immer unterstützte, selbst als er ganz unten war. Am größten Tag seiner wechselvollen Karriere sagte Wright: „„Das ist alles für meine Frau Joanne, für die Kids und die Familie. Sie haben immer gesagt, dass ich eines Tages Weltmeister werde.“
Vor seiner Profilaufbahn hielt sich Wright mit Gelegenheitsjobs auf dem Bau, in Fabriken oder Ferienlagern über Wasser. „Abzüglich aller Fixkosten blieben mir etwa 14 Pfund pro Woche. Außer meiner Frau hatte ich niemanden, der mich unterstützte“, sagte Wright. Joanne ermutigte ihn, es als Dartsprofi zu versuchen. Doch auch da klappte nichts. Bis zu jener WM vor sechs Jahren.
Damals kam er überraschend ins Finale und nahm auf einen Schlag 100 000 Pfund (118 000 Euro) ein. Sein Leben änderte sich auf einen Schlag, seither gehört „Snakebite“ – so sein von seinem Lieblingsgetränk inspirierter Spitzname – zu den besten Spielern der Welt.
Doch nicht seine sportlichen Leistungen haben Wright längst zur Kultfigur gemacht. Es ist vor allem sein Auftreten als Paradiesvogel, mit bunten Outfits und bunt gefärbten Haaren im Irokesen-Schnitt. Um die Frisur kümmert sich Joanne, die Friseurin verbringt zwei Stunden vor jedem Match mit dem Styling ihres Mannes.
„Ich wurde als Clown bezeichnet, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten“, sagte Wright nach dem 7:3-Sieg gegen den favorisierten Titelverteidiger Michael van Gerwen am Neujahrstag. Durch seinen ersten Sieg im zehnten Major-Finale gegen van Gerwen stieg Wright nicht nur in den Darts-Olymp auf, sondern vertrieb auch seinen Ruf als ewige Nummer zwei.
Jenen zweiten Platz in der Weltrangliste nimmt Wright nach dem WM-Titel ein, doch mit dem Selbstvertrauen des Weltmeisters will der 49-Jährige auch im Ranking ganz nach oben. „Ich will Michael das ganze Jahr unter Druck setzen und jedes Turnier gewinnen, das ich spiele. Ob ich dann schon zur Nummer eins werde, weiß ich nicht. Aber wenn ich nächstes Jahr wieder Weltmeister werde, bin ich es sicher“, sagte Wright.
Für ihn stellt sich nicht mehr die Frage, ob er nochmals im „Ally Pally“ triumphieren kann, sondern wie oft. „Noch viermal, damit ich auf fünf komme. Dann bin ich glücklich“, sagte Wright. Jener Schotte, der einst auf bemalte Bäume warf und nun um 591 000 Euro reicher ist. sid