München – Das wachsende Interesse für die NFL, die amerikanische Profiliga im Football, kann man in Deutschland ganz einfach den reinen Statistiken ablesen: ProSiebenMaxx erzielt mit seinen Übertragungen konstant hohe Quoten – beim Spiel der New England Patriots gegen die Cleveland Browns kam der Sender in der Zielgruppe auf überragende 8,5 Prozent Marktanteil, bis zu 520 000 Menschen schalteten ein. Aktuell laufen Gespräche, ob in Zukunft ein Spiel der amerikanischen Football-Stars in Deutschland stattfindet: „Wir denken darüber nach. Deutschland ist in Bezug auf die Fanbasis ohne Zweifel ein großer Markt für uns“, sagt Damani Leech, leitender Geschäftsführer von NFL-International. Um die Begeisterung für die NFL zu verstehen, braucht man jedoch nicht zwingend nach Amerika zu schauen. Ein kurzer Blick nach München genügt. Und zwar auf die Geschichte von Melle Kreuder.
Im Februar 2016 sieht Kreuder ein Video der besten Szenen von J.J. Watt, Defensive End der Houston Texans. „Das hat Emotionen bei mir hervorgerufen“, sagt Kreuder. Nur zwei Wochen später meldet er sich bei den München Rangers an. Zu diesem Zeitpunkt spielt Amerika in den Planungen von Kreuder keine Rolle. Erst nach seiner Rookie-Saison 2018 bei den Senioren und dem verlorenen Endspiel in der Regionalliga Süd gegen die Fursty Razorbacks, ändert sich das. „Es war alles sehr emotional. Irgendwas hat mir im Kopf nach der Niederlage direkt gesagt, dass es mein letztes Football-Spiel in Deutschland war“, sagt der gebürtige Münchner. Durch Zufall stößt Kreuder auf die Organisation „Gridiron Imports“ von Björn Werner. Werner, Ex-NFL-Spieler, veranstaltet mit Gridiron Imports Sichtungscamps und möchte Talenten dabei helfen, im professionellen Football Fuß zu fassen. Kreuder meldet sich für ein solches Camp in Ingolstadt an und überzeugt Werner sofort. „Es war aufregend Björn im Camp das erste Mal kennenzulernen. Er hat NFL gespielt und all das erlebt, von dem du noch träumst.“ Vor der NFL ist jedoch erst ein weiterer Schritt zu absolvieren: College-Football.
Der Weg dorthin führt für Nachwuchstalente meist über Camps, in denen sie sich Scouts und Trainern präsentieren. Im Juni 2019 nimmt Kreuder an einer Camp-Tour an der Ostküste teil. Der Wettbewerb dort ist brutal: Rund 2000 junge Sportler nehmen teil. Auf seiner Position muss sich Kreuder mit 70 Spielern messen. Der 21-Jährige überzeugt und erhält Angebote von der University of Massachusetts, Buffalo und Minnesota. Die Entscheidung fällt leicht: Kreuder entscheidet sich für Minnesota, dessen Team, die Minnesota Gophers, in einer der stärksten Divisionen im College-Football spielen. Nach der Camp-Tour ist der Defensive End nur zwei Tage in Deutschland und wird anschließend direkt wieder nach Amerika eingeflogen. Beim „Official Visit“ lernt Kreuder seine Trainer und den Campus kennen. Zudem besucht er sein zukünftiges Stadion, das TCF Bank Stadium, und bekommt Gänsehaut. Im Dantestadion spielte der Münchner vor 300 Zuschauern, beim Spiel der Minnesota Gophers gegen Penn State sind 51 883 Fans im Stadion. „Den Unterschied kann ich noch gar nicht richtig realisieren. Ich werde es erst richtig begreifen, wenn ich erstmals aus dem Tunnel in das Stadion laufe “, sagt der deutsche Footballer, der Psychologie in Minnesota studieren wird, ein Vollstipendium und zusätzlich 1200 Dollar im Monat erhält.
Ab Januar 2020 ist Kreuder in Amerika. Dann beginnt die Vorbereitung auf die Saison und ein neuer Lebensabschnitt. „Wenn ich im College zu den Besten gehöre, ist die NFL die nächste logische Entwicklungsstufe. Daran denke ich jetzt aber noch nicht. Ich gehe alles Schritt für Schritt an.“ Der Schritt vom heimischen Dantestadion in das TCF Bank Stadium ist allerdings ein riesiger.