Frankfurt/Main – Hätte das jemand vor ein paar Monaten vorhergesagt, er wäre wohl für verrückt erklärt worden. Die deutsche Nationalelf hat Nordirland mit 6:1 (2:1) deklassiert und sich somit als Gruppensieger für die EM qualifiziert.
Mit 21 Punkten aus acht Spielen, immerhin zwei Zähler vor den Niederlanden, und einem Torverhältnis von 30:7 Treffern. Souverän, anders lassen sich diese Zahlen nicht deuten. Für das Turnier im kommenden Sommer bedeutet dies: Wenn am 30. November die Gruppenauslosung stattfindet, wird der Vierfach-Weltmeister in Lostopf eins vertreten sein. Bis zu den letzten Tests im März gegen Spanien und einen weiteren Gegner heißt das: Soll erfüllt.
Bei RTL kümmerte man sich bereits vor Anpfiff um die wirklich wichtigen Dinge. Ob sich Joachim Löw schon mit den Lostöpfen beschäftigt habe, wollten Reporter Florian König und Experte Jürgen Klinsmann wissen, worauf Löw ankündigte, sich das komplexe Prozedere noch von seinen Leuten erklären lassen zu wollen. Nordirland, immerhin gestriger Gegner der deutschen Nationalelf, spielte in der Vorberichterstattung derweil nur eine untergeordnete Rolle. Umso passender, dass es just die Männer von Michael O’Neill waren, die den Bundestrainer jäh in die Gegenwart zurückbeförderten – und zwar nicht gerade auf die sanfte Art. Die siebte Spielminute: Ein Klärungsversuch von Toni Kroos landet vor dem deutschen Strafraum, von wo aus Michael Smith das Leder mit Gewalt und ziemlich unhaltbar für Marc-André ter Stegen in die untere linke Ecke peitscht.
Immerhin: Während so manch einer schon ein Last-Minute-Lostopf-Fiasko befürchtete, ließen sich die elf Männer in Schwarz und Weiß auf dem Grün nicht beunruhigen und spielten unbeirrbar ihren Stiefel herunter. Es gelang gut. Mit Ausnahme des anfänglichen Leichtsinns waren die Hausherren Herr im Haus – und nahmen das von Bailey Peacock-Farrell bewachte Gehäuse dauerhaft ins Visier.
Kroos machte seinen Schnitzer zügig mit schmucken Steilpässen wett, noch prägender für das deutsche Offensivspiel war jedoch Jonas Hector. Erst bediente der Kölner Serge Gnabry, der aus der Drehung sehenswert ausglich (13. Spielminute), kurz vor dem Pausentee in der Frankfurter Commerzbank Arena lieferte er zudem noch den Assist für die 2:1-Führung durch Leon Goretzka (43.). Und auch nach Wiederanpfiff ging es gut weiter. Es waren keine zwei Minuten gespielt, da zappelte das Leder erneut im nordirischen Netz. Diesmal ging es über die linke Seite.
Joshua Kimmich – altmodisch mit Trikot in der Hose unterwegs – sah Klostermann auf dem Flügel. Der Leipziger bediente darauf erneut Gnabry, der freistehend seinen zweiten Treffer markierte (60.). Keine Viertelstunde später schnürte der Münchner aus spitzem Winkel den Dreierpack. Ein strammer Rechtsschuss von Goretzka machte die Hand voll (73.). Kurz vor Schluss setzte Julian Brandt noch das i-Tüpfelchen auf das letzte Pflichtspiel (91.) vor dem EM-Auftakt im kommenden Juni.
Was bleibt? Die Gewissheit, dass noch lange nicht alles gut ist, aber bei weitem nicht alles schlecht. lop, gük