München – Oh, was hat man diesen Jubel lange nicht gesehen. Kein Tänzchen, keine extravaganten Gesten, im Fall von Thomas Müller muss man auch sagen: Zum Glück kein Salto vorwärts. Nein, wenn der 30-Jährige ein wichtiges Tor schießt, reißt er seine dünnen Arme nach oben, ballt die Fäuste und freut sich in einer Art, wie es auch kleine Kinder am Bolzplatz tun. Dazu das Gesicht, in dem alle Zähne zu sehen sind. Vollkommene Ekstase, herrlich.
Tatsächlich – man hat es fast vergessen – hatte Thomas Müller vor seinem 2:1 beim VfL Bochum in dieser Saison schon einmal getroffen. Weil der dritte Bayern-Treffer beim 3:0 gegen Roter Stern Belgrad Mitte September aber zum einen ein vergleichsweise unwichtiges Tor war und die Partie zum anderen gefühlt in einer anderen Bayern-Zeit stattfand, jubelte er damals anders. Einarmig, eher nebenbei, als sei Tore schießen nichts Besonderes. Eineinhalb Monate und eine große Müller-Episode später ist es das wieder.
„Ein Siegtor bei so einem K.o.-Spiel vor so einer Kulisse zu erzielen, ist immer schön“, sagte der Bayern-Retter in Bochum. Nicht nur er habe „gesehen, dass der Mannschaft mit dem Siegtreffer dann auch eine Last abgefallen ist.“ Es lief bereits die 89. Minute, als der eingewechselte Müller nach Zuarbeit von Kingsley Coman das tat, was ihn in diesem, seinen Verein so lange ausgezeichnet hat. Einfach mal einen reinmüllern, egal wie. Keineswegs gestochert, sondern gut gemacht. Körperlich durchgesetzt, wie es zuvor kaum einer seiner Mitspieler hinbekommen hatte.
„Mit Coutinho und Müller haben wir mehr Zugriff bekommen“, stellte selbst der verärgerte Niko Kovac fest, der Müller in der 65. Minute für Corentin Tolisso gebracht hatte. Gegen Union und Piräus hatte er in der Startelf gestanden, in Bochum war wieder zunächst nur die Reservistenrolle für den einstigen Stammspieler vorgesehen. Sein Last-Minute-Treffer passte daher als Pointe auf die sich weiter zuspitzende Bayern-Krise.
Müller ging diese Ansicht freilich zu weit, er sagte angesprochen auf seine Situation: „Wenn ich spiele, spiele ich. Und wenn nicht, dann nicht.“ Dennoch war die neue, lange nicht gespielte Rolle als Matchwinner für ihn natürlich Genugtuung. „Wenn man den Jubel gerade gesehen hat: Das sind Emotionen, Gefühle, Glücksgefühle“, wie man sie als erfolgsverwöhnter Bayern-Spieler in Zweitrunden-Pokalspielen nicht allzu oft hat. Immerhin einer also fuhr beschwingt zurück nach München. HANNA RAIF