Der ewige „Rafa“

von Redaktion

Der Spanier dominiert wieder

VON DORIS HENKEL

New York – Manche Dinge hat man hundert Mal gesehen, doch die Wirkung lässt einfach nicht nach. So wie nach diesem Sieg, als er die Arme angewinkelt in den Himmel reckte, bis sich die Bizepse bogen, und in seinen Augen wieder ein Feuer loderte, das auch nach all den Jahren kein bisschen schlafen mag.

Zweimal hatte Rafael Nadal eine klare Führung verspielt, trotzdem war er an diesem schweißtreibenden Abend in drei Sätzen durchgekommen, und es gab keinen Zweifel, dass es auch beim Sieg gegen Diego Schwartzman aus Argentinien (6:4, 7:5, 6:2) keine einzige Sekunde gegeben hatte, in der er nicht unter Vollspannung stand.

Novak Djokovic hatte in der vierten Runde verletzt aufgegeben, Roger Federer verlor eine Runde später angeschlagen, aber er, der Letzte aus dem großen Trio, ist weiter im Spiel. An diesem Freitag wird der Spanier zum 32. Mal in seiner Karriere im Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers spielen, zum siebten Mal in New York, und natürlich ist er der Favorit. Aber die Konstellation um ihn herum sieht anders aus, als sich das vorher viele vorgestellt hatten.

Seit Jahren fragt sich die Tenniswelt, wer der Erste aus der jüngeren Generation sein wird, der einen Grand-Slam-Titel gewinnt. Alexander Zverev galt längere Zeit als Anwärter Nummer eins, ehe er in diesem Jahr in Untiefen geriet. Die anderen wie der Grieche Stefanos Tsitsipas oder die Kanadier Shapovalov und Auger-Aliassime sind noch nicht so weit. Doch in New York meldet sich der Jahrgang ‘96. Zuerst landete der Russe Daniil Medwedew im Halbfinale, heute gegen Grigor Dimitrov, Jahrgang ‘91.

Dann folgte der Italiener Matteo Berrettini im vielleicht nicht besten, aber bisher aufregendsten Spiel des Turniers. Mit dem fünften Matchball gegen Gael Monfils aus Frankreich machte er die Sache in fünf wechselvollen Sätzen klar, danach lag er platt auf dem blauen Boden. Mit größter Bereitschaft ließ er sich von den Landsleuten feiern für eine historische Tat. Italiens bis dato letzter Halbfinalist in New York war Corrado Barazzutti anno ‘77, den der Nachfolger nicht nur deshalb gut kennt, weil der Ältere Italiens Davis-Cup-Kapitän ist. Auch mit dem schönsten und erfolgreichsten aller Italiener, Adriano Panatta, der die French Open 1976 gewann, steht Berrettini in engem Kontakt, von Römer zu Römer sozusagen. Nach der erfolgreichen Phase in den 70er-Jahren dauerte es vier Jahrzehnte, bis Italiens Männer nun wieder eine Rolle spielen, in der Zwischenzeit waren es die Frauen, die Titel gewannen, auch die größten.

Nirgendwo in den USA leben mehr Italiener und Amerikaner mit italienischen Vorfahren als im Bundesstaat New York und speziell in New York City. Die größten Tennistage erlebten sie vor vier Jahren, als Roberta Vinci mit List und Slice zuerst im Halbfinale völlig überraschend gegen Serena Williams gewann. Zwei Tage später spielte Vinci im Finale gegen Flavia Pennetta um den Titel, und in Little Italy liefen die Fernseher heiß. Pennetta gewann, erklärte bei der Siegerehrung, dass sie zurücktreten werde, und das alles fand in sehr italienisch gelöster Stimmung statt. Die glückliche Siegerin heiratete ein Jahr später die Nummer eins des italienischen Männertennis, Fabio Fognini, die beiden erwarten in diesem Jahr ihr zweites Kind.

Matteo Berrettini erzählte nach dem Sieg zum einen, das Finale der Frauen seinerzeit habe ihn inspiriert, und zum anderen, dass Fognini eine Nachricht geschickt habe, die sich wohl mit „Forza Italia“ zusammenfassen lässt.

Die Entwicklung des italienischen Männertennis lässt sich auch in der Weltrangliste mit sieben Leuten unter den ersten hundert ablesen; Deutschland hat fünf, zumindest ab kommender Woche, wenn Dominik Köpfer zum ersten Mal offiziell zu dieser Gruppe gehört.

Bei den French Open letztes Jahr landete Marco Cecchinato nach einem Sieg gegen Novak Djokovic im Halbfinale, diesmal übernimmt also Berrettini, der mit diesem Erfolg in der Wertung für die ATP Finals Alexander Zverev überholt und auf Platz zehn verdrängt hat.

Ob er im Halbfinale eine Chance haben wird? Schwer vorstellbar, aber nicht unmöglich. Die beiden haben noch nie gegeneinander gespielt, doch der italienische Herausforderer hat selbstredend eine Idee, was ihn erwarten wird.

Jeder weiß, was ihn erwarten wird, wenn er gegen Rafael Nadal spielt.

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