Ottensheim – Ein erfolgreicher Sportler sollte in erster Linie Talent mitbringen und fleißig trainieren, aber in zweiter Linie muss er ein großes Maß an Selbstvertrauen haben. Oliver Zeidler, Deutschlands bester Skuller arbeitet hart, ohne Zweifel, er hat beste körperliche Voraussetzungen und beste Gene als Sprössling einer Ruder-Familie. Aber vor allem ist er selbstbewusst, überzeugt davon, dass er das anvisierte Ziel bei der WM in Ottensheim erreicht – eine Medaille im Finale am Sonntag, und eigentlich wäre er wohl nur so richtig zufrieden, wenn er die goldene mit nach Hause nehmen dürfte.
„Ich habe heute Morgen beim Zähneputzen in den Spiegel geschaut und den stärksten Ruderer der Welt gesehen“, sagte Zeidler am Freitag. Da hatte er gerade das Halbfinale hinter sich, in dem er seinen Eindruck von sich bestätigt hatte. Er fuhr die beste Zeit aller zwölf Einer-Ruderer. Aber es war knapper, als er es sich bei seiner Morgentoilette im Teamhotel in Linz vermutlich vorgestellt hatte.
Seine Renntaktik ist fast immer die gleiche: Spurt nach dem Start, Spurt am Ende und in der Mitte ein wenig ausruhen. Sie ging bei ihm bisher oft auf, zumindest dann, wenn nicht äußere Bedingungen wie im Finale bei der WM im vergangenen Jahr in Plovdiv einwirken. Am Freitag lief es zunächst nach Plan, er ging in Führung und wollte das „zwischendrin mal lösen“, davonziehen, aber misslang. „Die beiden anderen haben es mir nicht leicht gemacht“, gab der 23-Jährige aus Schwaig bei Erding zu. Die beiden anderen, das waren der Däne Sverri Nielsen und Stef Broenik aus den Niederlange, erwiesen sich als hartnäckige Konkurrenten.
Aber Zeidler hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ein paar kraftvolle Schläge reichten, um wieder den ersten Platz zu übernehmen und schließlich mit 1,09 Sekunden Vorsprung vor Nielsen zu gewinnen. Im anderen Halbfinale blieb der Sieger knapp sechs Sekunden hinter der Zeit des Deutschen.
Allerdings gehört eben auch zu einem erfolgreichen Sportler, dass er immer noch etwas findet, was er besser machen kann. „Mit dem Endspurt“, sagte der Europameister, „war ich noch nicht ganz zufrieden.“ Drei Sekunden sei er auf den letzten 500 Metern langsamer gewesen, „als ich es mir vorgenommen hatte“.
In seinem dritten Jahr als Ruderer zeigt die Leistungskurve weiter bergauf, wenngleich nicht mehr so steil, aber das, findet Bundestrainer Ralf Holtmeyer, sei ja normal. Zeidler sieht sich noch immer in der Lernphase. „Ich habe noch so ein paar Stellschrauben, an denen man drehen kann“, sagt der frühere Schwimmer.
Vor der WM hatte er mit seinem Vater Heino, der sein Heimtrainer ist, noch am Ruderschlag gearbeitet. Der war für ihn ein paar Zentimeter zu kurz gewesen war. Die Umstellung sei relativ schnell gegangen, erzählt Zeidlerm „dadurch dass ich noch nicht so lang dabei bin und sich noch nichts festgegraben hat im Hirn“.
Damit scheint er ohnehin keine Probleme zu haben. Auch Niederlagen schafft er, schnell aus dem Kopf zu bekommen. Die meisten jedenfalls. Die Statistik des Weltverbandes FISA zeigt zwei Rennen in dieser Saison, die Zeidler nicht gewonnen hat. Zeidler selbst spricht von einem Wettkampf, den Finallauf beim Weltcup in Posen. Die andere Niederlage, die in Rotterdam, zählt der Schwaiger gar nicht, weil es aufgrund des starken Windes jedes Boot einzeln auf die 2000 Meter lange Strecke geschickt worden war bei völlig unterschiedlichen Bedingungen.
Der letzte Platz im A-Finale der WM vor einem Jahr beschäftigt ihn dagegen immer noch – aber im positiven Sinne. „Ich bin nicht hier, um noch einmal Sechster zu werden“, hatte Zeidler bereits nach seinem zweiten Auftritt in Ottensheim am Mittwoch angekündigt. Dass er dies im Finale am Sonntag zu verhindern weiß, daran zweifelt kaum jemand.