Ein Deutscher hat das Zeug zum Superstar

von Redaktion

Auch ohne Harden & Co. – bei der Basketball-WM treten viele Ausnahmekönner in Erscheinung

VON ANDREAS MAYR

Peking – Die NBA-Fans ätzen schon: Kein James, kein Curry, kein Durant – wen interessiert die Basketball-Weltmeisterschaft überhaupt ohne Superstars? Weit gefehlt. Der internationale Basketball hat sich prächtig entwickelt. Wertvollster Spieler, Verteidiger des Jahres und der beste Neuling der NBA kommen aus Griechenland, Frankreich und Slowenien. Auf der Bühne der Besten tummeln sich zig internationale Basketballer, die in China antreten. Vor dem WM-Start am Wochenende stellt unsere Zeitung die zehn Stars vor, von denen man gehört haben muss.

Giannis Antetokounmpo (Griechenland)

Er flechtete die Haare einst wie Skandalnudel Alan Iverson, ging ins Internetcafe, um seine Helden aus der NBA zu sehen, verdiente 200 Dollar in der zweiten griechischen Liga – und gilt heute als größte Naturgewalt der Basketballwelt. Giannis Antetokounmpos Aufstieg vom Souvenir-Verkäufer in den Straßen Athens zum Superstar liest sich wie ein modernes Märchen. Sein Körper – Größe: 2,11 Meter, Spannweite: 2,21 Meter, Gewicht: 110 Kilogramm – hat ihm den Spitznamen „Greek Freak“ eingebracht. Zur Weltmeisterschaft nach China reist er als wertvollster Spieler (MVP) der NBA-Saison, als Hoffnungsträger eines ganzen Landes und als größter Entertainer der Szene.

Nikola Jokic (Serbien)

Im April hat Nikola Jokic seinen Pass erneuern müssen. Das war eine Schlagzeile wert, weil die Welt einmal seine alten Papiere samt Bild des jugendlichen Jokic in Schwarz Weiß zu sehen bekam. Ein kleiner Schweinchenkopf starrte einen da an – oder anders betrachtet: der beste serbische Basketballer seit Vlade Divac. Nach vier Jahren NBA (in Denver) hat Jokic einen Teil seines Babyspecks verloren. Das mit der Ernährungsumstellung ist ihm so leicht gefallen, weil er es hasst, wie die Amerikaner das gute serbische Essen verhunzen. „Es schmeckt nach nichts“, klagt er. Der Center wird zwar nie einem Adonis gleichen, gehört aber zu den besten zehn Basketballern der Welt. Die Spezialität des „Jokers“: seine Zauberpässe.

Marc Gasol (Spanien)

Voriges Jahr hat Marc Gasol den Sommer auf einem Boot in Mittelmeer verbracht. Er zog Flüchtlinge aus dem Wasser wie ein kleines Mädchen mit dem Namen Josephine. „Ich konnte nicht länger schweigen“, sagt er. Ein Jahr später spielt er wieder Basketball. Als einer der Letzten der goldenen spanischen Generation peilt der 34-Jährige die neunte internationale Medaille an, um die erfolgreichste Saison seiner Karriere zu verfeinern. Mit Toronto gewann der Jüngere der Gasol-Brüder die Meisterschaft in der NBA. Bei den Raptors war er fürs Verteidigen zuständig, die Spanier brauchen mehr.

Donovan Mitchell (USA)

Im ewigen Kampf um den Schuh setzt Adidas auf Donovan Mitchell. Der deutsche Hersteller konkurriert seit Jahren mit Nike, Jordan und anderen Firmen, wer die besten Basketballer ausstatten darf. Die Superstars stehen beim Gegner unter Vertrag. Aber Mitchell könnte sich noch als großer Fang herausstellen. Als Rookie führte er die Utah Jazz voriges Jahr in die Playoffs. Im Trainingscamp der US-Basketballer beeindruckte er die Medienschar so sehr, dass viele in ihm eine Reinkarnation von Dwayne Wade sehen. Und seit Kurzem steht sein Spitzname „Spida“ im amerikanischen Wörterbuch. Definition von Spida: „Eine Basketball-Spezies, die man meisr über dem Ring antrifft.“

Dennis Schröder

(Deutschland)

Dennis Schröder (25) wird erwachsen. Im Februar kam Sohn Dennis Malick zur Welt. Vorigen Monat heiratete er seine langjährige Freundin Ellen Ziolo daheim in Braunschweig. Etwas privates Glück schadet nicht, wo es doch sportlich nicht blendend läuft. Voriges Jahr weggetaucht aus Atlanta. Auch Oklahoma, sein aktueller Arbeitgeber, bietet ihn wieder ligaweit an. Schröders Makel: Der Distanzwurf fällt zu selten. Bei der WM dürfte das kein Problem sein, da die Dreier-Linie einen halben Meter näher am Korb ist und international eh keiner mit seinem Tempo mithalten kann.

Rudy Gobert (Frankreich)

Die NBA hat viele Außerirdische gesehen – aber noch keinen wie Rudy Gobert. Als die Scouts 2013 seinen Körper durchleuchteten, entdeckten sie Unfassbares: Mit ausgestreckten Armen maß der Franzose 2,92 Meter. Der Korb hängt in 3,05 Metern Höhe. In Anlehnung an den Eiffelturm – immerhin 324 Meter hoch – nennen ihn die Basketballfans seither Stifle-Tower. Mit seinen Tentakel-Armen blockt Gobert mit Vorliebe die Würfe der Gegner. Dank dieser Fähigkeit hat die NBA den 2,16-Meter-Center der Utah Jazz zweimal in Folge zum Verteidiger des Jahres ausgezeichnet.

Alexey Shved (Russland)

Die NBA war dann doch nichts für Alexey Shved. In der besten Liga der Welt (2012 bis 2015) muss man auch verteidigen können. Das hat dem russischen Aufbau aber nie sonderlich viel Spaß bereitet. Dafür zählt er offensiv zu den versiertesten in Europa. Im Eins-gegen-Eins gibt es keinen besseren. Mit 23,7 Punkten pro Spiel führte er die Euroleague an. Zuletzt war er aber lange verletzt.

Yi Jianlian (China)

Der große Yao Ming wird für immer Chinas bester Basketball-Export bleiben. Doch die Gegenwart gehört Yi Jianlian. Nach fünf Jahren NBA, in denen er ordentliche Statistiken verbuchte, wechselte der 2,13-Meter-Center in die heimische Liga CBA. Seitdem dominiert er. Fünfmal gewann er den Meistertitel, dreimal wählte man ihn zum besten Spieler im Finale. Das gesamte System der Chinesen ist auf den Alleskönner abgestimmt. Jianlians unbedingter Auftrag: das Ticket nach Olympia 2020.

Andray Blatche

(Philippinen)

Zu dick, zu alt, zu kompliziert – wer in der NBA kein Geld mehr verdient, flieht nach China. Im Fall von Andray Blatche häuften sich die Geschichten über seine Ausfälle fernab des Basketballfelds. An Talent, Fähigkeiten und einem großen Mundwerk mangelte es dem US-Amerikaner nie. Seit 2014 kassiert er Millionen bei den Xinjiang Flying Tigers. Gleich nach seiner Ankunft in Asien ließ sich der Forward auf den Philippinen einbürgern. Noch im selben Jahr flog er zur WM nach Spanien – und war zweitbester Werfer.

Domantas Sabonis

(Litauen)

Sabonis? Ja, Sabonis. Arvydas Sabonis – bester europäischer Spieler seiner Generation – führte die Sowjetunion in den 1980ern zu Gold bei WM und Olympia. Sein Sohn Domantas hat einen Ticken weniger Genialität geerbt, schaffte es aber nach seiner Ausbildung in Malaga ebenfalls in die NBA. Wie der Papa bewegt sich Sabonis erstaunlich geschmeidig für einen Riesen und zählt zu den besseren Verteidigern.

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