Abi Atici kommt aus der Nähe von Stuttgart, das hört man. Er schwäbelt. Als er anruft, meldet er sich mit seinem anderen Namen: „Diego.“ Atici ist Maradona-Doppelgänger, seit drei Jahrzehnten. Der Maestro selbst hat ihm das offiziell gestattet.
Herr Atici, Ähnlichkeit bemerkt man selbst oft gar nicht. Wie war es bei Ihnen?
Mit 17, 18 in der Berufsschule hat man mich Diego genannt und Poster aufgehängt. Damals war die Ähnlichkeit eins zu eins. Da trat Maradona in mein Leben, wurde in mir geboren. Zuvor hatte ich andere Idole, Karlheinz Förster etwa. Ich habe die gleiche Position wie er gespielt (Vorstopper, d. Red.). Zwei Jahre später, 1989, war Maradona mit Neapel zum UEFA-Cup-Spiel in München, ich ging am Tag zuvor hin, um ihn zu sehen, dabei bin ich der Bild-Zeitung aufgefallen. Ich war beim Training, beim Spiel, die Leute sind ausgerastet. Eine Berliner Doppelgängeragentur hat mich gleich unter Vertrag genommen.
Seid ihr gleich groß?
Beide 1,68 Meter. Vom Gewicht sind es bei ihm jetzt 20, 30 Kilo mehr.
Altern Sie mit ihm?
Ich hatte nie einen Bart, jetzt trage ich auch einen wie er. Und an den gleichen Stellen grau. Wir sind Seelenverwandte.
Bewegung, Gestik mussten Sie lernen?
Habe ich alles einstudiert. Auch wie er Autogramme gibt. Er hat mir erlaubt, das zu tun, als ich ihn auf Kuba getroffen habe. Er hat mich lediglich gebeten, ihm keinen Schaden zuzufügen. Ich sagte: „Diego, ich würde mir die Hand abhacken, wenn ich dir schaden würde.“ Ich wirke, wenn ich als er auftrete, positiv für ihn, ich umarme die Menschen. Wir ergänzen uns: Er ist ein bisschen rüpelmäßig, ich biege es gerade.
Wie haben Sie Diego kennengelernt?
Das erste Treffen war beim Abschiedsspiel von Lothar Matthäus in München.
Im Jahr 2000. Matthäus gab eine Pressekonferenz mit Ihnen als Gast. Wir Reporter fielen alle auf Sie rein. Er hatte Sie engagiert.
So, und jetzt erzähle ich die wahre Story. Ich war auf eigene Faust nach München gereist, weil ich Maradona sehen wollte. Lothar Matthäus erblickte mich und glaubte, ich wäre der Original-Diego. Er bat mich dann, es nicht zu verraten, dass er selber reingefallen ist. Wir haben es dann so gedreht, dass er mich gebucht hat. Aber dieser Termin war mein Durchbruch. Dann kamen die Aufträge wie Gast auf der Hochzeit von Boris Becker. Oder der Job im März 2010, als Argentinien mit Maradona als Trainer in München spielte. Da sagte man mir, ich soll die Klamotten von Diego anziehen, vor dem Hotel ins Auto einsteigen und wegfahren, damit die Leute hinterherrennen und die Meute weniger wird. Dann kam Maradona mit der Mannschaft raus und hatte freie Bahn.
Und jetzt die Kuba-Geschichte!
Sein Europa-Manager Angelo Brizzi hat mir den Tipp gegeben, dass Diego eine Entziehungskur in Kuba macht. Ich bin angereist. Als Diego mich sah, fing er an zu weinen. Er bemerkte, wie er aussehen würde ohne Drogen. Ich war der sportliche Maradona. Später war ich auch bei ihm zu Hause. Und ich kann sagen: Diego hat ein gutes Herz. Er ist ein großes Idol und ein Gott auch für mich.
Sprechen Sie auch Spanisch?
Nur ein paar Brocken. Aber die Fans wollen Autogramme und den Maradona nicht so belästigen. Dass ich nicht sprechen kann wie er, überspiele ich. Als ich mit ihm zusammen war, hatten wir einen Dolmetscher dabei.
Gab es Zeiten, in denen es nicht gefragt war, Maradona zu sein?
Er hatte viele negative Schlagzeilen. Aber wenn ein Maradona vor einem steht oder der, von dem man meint, dass er es ist, will jeder ein Foto. Auch bei der WM 2018, als Diego sich schlecht benommen hat. Ich schämte mich selbst fast, hatte aber in Saarbrücken einen Auftritt für „Ein Herz für Kinder“. Wie sollte ich das hinbiegen? Aber man wurde nicht ausgebuht. Maradona zieht immer, bei normalen Leuten, auch bei Stars wie Udo Lindenberg, Mark Forster, Hartmut Engler von „Pur“; die wollen mit ihm fotografiert werden. Also mit mir.
Interview: Günter Klein