Chemnitz – Daniel Bierofka war so gestresst, dass er sich zunächst gar nicht recht freuen konnte. Nur kurz hob der 1860-Trainer erleichtert die Hand, dann marschierte er in die Kabine. Später meinte er mit heiserer Stimme: „Es war ein sehr schweres Spiel.“ Aber auch eines, das endlich wieder ein Erfolgserlebnis bescherte. Verantwortlich dafür war einer, den zuvor kaum einer kannte: der 19-jährige Leon Klassen. Bei seinem Startelfdebüt erzielte er das späte Siegtor zum 1:0 (77.). Der erste Auswärtssieg dieser Saison war harterkämpft, und auch glücklich. Bierofka meinte: „Wichtig waren nur die drei Punkte, damit wir jetzt wieder etwas Ruhe reinbringen.“
Allein schon der Aufstellungsbogen offenbarte, dass der 1860-Trainer personell nichts unversucht lassen wollte, um sein zuletzt schwer kriselndes Team wieder in Schwung zu bringen. Fünf neue Spieler nominierte er für die Startelf: Mit Leon Klassen (19), Fabian Greilinger (19) und Dennis Dressel (20) bekamen drei Youngsters eine Bewährungschance. Zudem rückten Felix Weber und Marius Willsch wieder in die erste Formation. Auf die Bank mussten Stefan Lex, Timo Gebhart und Dennis Erdmann; Benjamin Kindsvater fehlte wegen Verletzung, Herbert Paul befand sich nicht im Kader. Bierofka hatte also aus dem 1:5 gegen Magdeburg umfangreiche Konsequenzen gezogen.
Immerhin war den Löwen anzumerken, dass sie sich um eine engagierte Spielweise bemühten. Es wurde gerannt, gegrätscht, gekämpft – spielerisch lief aber nicht viel zusammen. Bierofka: „Man hat gemerkt, dass beiden Mannschaften die Leichtigkeit gefehlt hat.“ Der einzige Aufreger der ersten Hälfte spielte sich kurz vor dem 1860-Strafraum ab. Phillipp Steinhart foulte Bonga (18.) kurz vor dem Strafraum und sah dafür Gelb. David Bergner, Coach der immer noch sieglosen Chemnitzer, wetterte: „Wenn das keine Rote Karte ist, dann können wir aufhören.“
Das beiderseits gezeigte Niveau passte zunächst ziemlich gut zum Stimmungsboykott der Chemnitzer Fans, die ja aufgrund rechtsradikaler Umtriebe stark in Verruf gekommen sind. Auf das halbstündige Schweigen der Gastgeber reagierten der Löwen-Anhang mit dem Chorgesang: „Ohne uns wäre hier gar nichts los!“
Dennoch bereitete es den Sechzigern größte Mühe, Durchschlagskraft zu entwickeln; einmal mehr zeigte sich, dass die Löwen dringend Offensivverstärkung benötigen. Vor der Partie machte 1860-Sportchef Günther Gorenzel allerdings starke Hoffnung auf die ersehnte Neuverpflichtung. „Wir sind froh, dass wir jetzt eine Lösung gefunden haben. Wir sind klar mit einem Spieler. Die Verträge werden am Samstag unterschrieben“, sagte er. Angeblich handelt es sich dabei um Rückkehrer Prince Osei Owusu (Bielefeld), der schon in der letzten Rückrunde für 1860 stürmte.
In der zweiten Hälfte erwachte zumindest bei Chemnitz verstärkter Offensivdrang. Doch das Tor schossen die Löwen. Rechtsverteidiger Willsch, der zuvor schon einige gute Szenen hatte, wirbelte auf dem rechten Flügel wildentschlossen davon, sein Rückpass von der Linie landete bei einem, den die Chemnitzer offenbar überhaupt nicht auf der Rechnung hatte: bei Leon Klassen. Die Direktabnahme des flinken Deutsch-Russen flog ins Chemnitzer Netz – 1:0 (77.). „Der Junge hat Herz und Leidenschaft“, belobigte Bierofka. Es folgte noch ein Chemnitzer Endspurt – doch Torhüter Bonmann parierte dreimal bestens und rettete die drei Punkte.