München – Beinahe wäre aus dem Dreier- ein Zweiergipfel geworden. Die Kalender der Clubs sind vollgepackt in der Saisonvorbereitung: Trainingslager, Testspiele, Fototermine . . . Fast ein Wunder, dass sich die Trainer der drei Münchner Drittligisten auf einen Termin einigen konnten – bis ein kurzfristig angesetztes Testspiel in Tirol für ungewollte Spannung sorgte. Daniel Bierofka (TSV 1860) und Sebastian Hoeneß (FC Bayern II) hatten längst Platz genommen in der Harlachinger Einkehr, die in der neutralen Zone der drei Kontrahenten liegt. Dann jedoch kam die Meldung: Stau auf der A 8. „Die Autobahn meint es nicht gut mit mir“, teilte Haching-Coach Claus Schromm per WhatsApp mit, konnte sich aber – wie immer auf seinen Präsidenten verlassen. Manni Schwabl machte die Elefantenrunde zur Chefsache, drückte aufs Gaspedal – und sorgte als Chauffeur dafür, dass der Trainergipfel vollständig und nur mit einer halben Stunde Verspätung beginnen konnte. Der Laune der drei Fußballlehrer war das nicht abträglich, wie unser Interview zeigt.
Der TSV 1860 eröffnet die Saison mit einem Freitagabendspiel gegen Preußen Münster. Sitzen da auch die Trainer der Konkurrenz vor dem Fernseher?
Hoeneß: Ja, wenn es zeitlich passt, ist das sehr sehr gut möglich.
Schromm: Live wird’s schwierig bei mir – wir sind da schon im Hotel in Kaiserslautern, wo wir am Samstag spielen. Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten.
Die Löwen jammern ziemlich rum mit ihrem Kader, sehen sich selbst als Abstiegs . . .
Bierofka: Moment . . . Wo bitte jammern wir denn rum? Und wer redet vom Abstieg?
Das oft wiederholte Ziel heißt Klassenerhalt.
Bierofka: Das ist doch was anderes, das hat mit Jammern nix zu tun.
Wie sieht denn die Konkurrenz die zum Sparen gezwungenen Sechzger?
Schromm: Nicht so dramatisch. Ich glaube, dass sie stärker sind als viele denken.
Ist Bayern II als Aufsteiger die große Unbekannte?
Bierofka: Ich kenne die Mannschaft noch relativ gut. Mir war klar, dass sie mit der Qualität irgendwann den Sprung in die Dritte Liga schaffen werden.
Sind die kleinen Bayern eine Bereicherung für die Liga?
Schromm: Auf jeden Fall! Für uns ist es noch mal ein Derby mehr, alleine schon deshalb.
Bierofka: Fußballerisch werden sie eine der besten Mannschaften der Liga sein. Man muss halt schauen, wie schnell sich die Talente an die Härte der Liga gewöhnen.
Mit welchen Zielen gehen Sie jeweils in die Saison?
Hoeneß: Wir bleiben eine Ausbildungsmannschaft. Die Entwicklung wird in der neuen Liga beschleunigt, deshalb wollen wir die Klasse halten, auch wenn sich das als Ziel aus der Sicht einer Bayern-Mannschaft nicht schön anhört. Wir wollen unsere Talente fördern und fordern.
Bierofka: Wenn wir als Team auftreten, auf dem Platz und drum herum, dann haben wir eine Chance. Was uns extrem weh tut, sind die Verletzungen von Quirin Moll, Semi Belkahia, Nico Karger und Stefan Lex. Wir müssen eine Million einsparen und konnten kaum reagieren. Dafür haben wir ein paar Talente hochgezogen. Die Jungs kommen aber aus der Bayernliga und brauchen Zeit, um sich zu akklimatisieren.
Haching braucht man ja nicht zu fragen im dritten Jahr 3. Liga, oder?
Schromm: Für einen relativ kleinen Verein wie Haching ist es immer frech, wenn wir sagen, wir wollen aufsteigen. Aber wir haben ja auf Dauer keine andere Wahl. Also sage ich: Bis in spätestens zwei, drei Jahren wollen wir oben sein.
Bierofka: Haching kann auf jeden Fall vorne mitspielen. Das stabile Fundament wurde sinnvoll verstärkt. Jannick Bandowski, der neu dazu kommt, ist ein herausragender Spieler – ich kenne ihn noch von 1860. Und Haini (Stephan Hain, auch er ein Ex-Löwe/Red.) ist immer für 15 bis 20 Tore gut.
Für Sie ist alles neu, Herr Hoeneß. Mussten sie lange überlegen, als das Angebot kam, als letztjähriger U 19-Coach das Abenteuer 3. Liga zu leiten?
Hoeneß: Eigentlich nicht. Ich habe eine Nacht drüber geschlafen und am nächsten Tag zugesagt. Es ist eine große Herausforderung, an die ich sehr optimistisch herangehe.
Ist Ihr Name eine Bürde?
Hoeneß: Ich kenne das nicht anders. Dass der Name ein Stück weit Erwartungen hervorruft und manchmal auch Vorbehalte, ist für mich nichts Neues. Jetzt wird es durch die erhöhte Aufmerksamkeit noch mal mehr, aber das macht mir nichts. Ich empfinde es nicht als Bürde.
Ist es ein Vorteil, dass es weder Ihr Vater Dieter noch Ihr Onkel Uli mal als Trainer gearbeitet haben?
Hoeneß: Wie gesagt: Ich gehe entspannt damit um. Der Vergleich mit meinem Vater als Spieler hinkt eh. Er war über 1,90 m und kopfballstark – ich bin deutlich kleiner und war eher kopfballschwach.
Sie kennen das auch, wenn man mit dem Vater verglichen wird, Herr Bierofka . . .
Bierofka: Mein Papa war jetzt außerhalb Münchens nicht ganz so berühmt. Es war im Rahmen des Möglichen, ihn zu übertreffen, was die Anzahl der Erst- und Zweitligaspiele angeht – und das hab ich dann auch geschafft. Trotzdem ist es nie ganz leicht, wenn man einen bekannten Namen mitbekommt. Es ist einfach so, dass die Leute vergleichen. Früher war ich der Sohn von, irgendwann war es Vater von. Das hat sich dann gedreht.
Apropos Familie. Haching hat schon nach wenigen Wochen wieder einen Hoffnungsträger verloren, den Stürmer Arne Naudts. Der ungewöhnliche Grund ist, dass die Familie des Belgiers Heimweh hatte.
Schromm: Das Thema Heimweh kam von der Familie Naudts vor dem Testspiel gegen Ulm auf. Wir saßen nach der Partie mit Arne, der Ehefrau und dem Kind zusammen und haben die Situation besprochen. Unmittelbar, nachdem wir uns auf eine Vertragsauflösung geeinigt hatten, war das Kind, das zuvor genörgelt und geschrien hatte, abrupt ruhig. Schade weil wir den Spielertypen noch nicht hatten. Aber da geht der Mensch vor. Das Kind hat gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war.
Haching hätte ja jetzt Geld, um noch mal auf dem Transfermarkt zuzuschlagen. Was ändert sich für Sie durch Hachings Börsengang?
Schromm: Unser Präsident hat immer gesagt, dass wir andere Wege gehen müssen. Wir brauchen Eigenkapital, können nicht ständig Schulden anhäufen. Jetzt sind die nächsten Jahre durchfinanziert, das hatten wir in Haching noch nie. Und wer unseren Präsidenten (Manni Schwabl) kennt, der weiß, dass er erst Ruhe geben wird, wenn wir in der 2. Liga sind.
Ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man sich auch als Trainer ein Aktienpaket sichert?
Schromm: Ich investiere seit zwölf Jahren in Haching, das muss reichen (lacht).
Würden Sie Aktien vom Lokalrivalen kaufen, Herr Bierofka?
Bierofka: Wenn, dann werde ich gleich Mehrheitsgesellschafter (alle lachen).
Wird man als Löwe ein bisschen neidisch, wenn man sieht, was in Haching vorangeht?
Bierofka: Ich find’s gut, dass Haching solche Wege geht, dass Manni Schwabl kreativ ist. Was uns angeht, müssen wir halt schauen, dass wir unseren eigenen Laden in den Griff kriegen. Klar war es extrem in den letzten Wochen. Ich bin froh, dass die Mitgliederversammlung vorbei ist. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt gilt es, das Beste draus zu machen.
Wie schaut man denn bei Bayern auf Sechzig?
Bierofka: Gar nicht . . .
Hoeneß: Doch schon – mit Interesse. Es ist nicht so, dass man sich darüber lustig macht.
Drei Vereine, drei besondere Merkmale: Bayern hat das Geld, Haching die Ruhe, Sechzig die Fans. Unterschreiben Sie das?
Bierofka: Andere Vereine wären tot gewesen nach einem Doppelabstieg, Sechzig ist erst wieder ein bissl zum Leben erwacht, das macht die Einzigartigkeit aus.
Bayern nutzt das vorhandene Geld nicht in dem Maße für den Drittligakader, wie man es vermuten würde. Warum?
Hoeneß: Weil wir im besten Fall unsere eigenen Talente spielen lassen wollen. Das wäre ein Bruch mit unserer Philosophie, wenn wir jetzt 23- oder 24-Jährige verpflichten würden. Ein Riesenfehler wäre das. Es geht darum, eine Mischung zu finden.
Wie kam es zur Verpflichtung des Neuseeländers Sarpreet Singh?
Hoeneß: Er ist uns bei der U 20-WM aufgefallen. Auch im Männerbereich hat er schon sehr starke Spiele abgeliefert. Ich hoffe, er wird uns schnell helfen, aber wir müssen ihm Zeit zugestehen, er kommt schließlich vom anderen Ende der Welt. Unser oberstes Ziel ist, Spieler auszubilden. Nachdem viel Geld in den Campus investiert wird, ist schon die Erwartung da, dass was zurückkommt. Aber es gibt da keine festen Quoten.
Bayern darf nicht aufsteigen, 1860 schaut nach unten, nur Haching denkt mittelfristig an Aufstieg. Inwieweit ist der Gewinn der Münchner Stadtmeisterschaft ein erstrebenswertes Alternativziel?
Bierofka: Auch für einen Derbysieg gibt es nur drei Punkte. Für mich ist zuallererst die Liga wichtig, das ist das alles Entscheidende. Klar wiegen drei Derbypunkte für den Moment viel, aber mir geht es in erster Linie darum, nach dem 38. Spieltag über dem Strich zu stehen.
Hoeneß: Für unsere Fans ist das Derby natürlich äußerst wichtig, aber auch für die Mannschaft und den kompletten Staff ist es natürlich ein ganz besonderes Spiel.
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