Sein letztes Rennen

von Redaktion

Ausnahme-Leichtathlet Guido Müller nimmt mit 80 Abschied vom Wettkampfsport

VON WOLFGANG HERFORT

Vaterstetten – Der Mann ist eine lebende Legende. Guido Müller, 80 Jahre alt, seit rund 36 Jahren eine Ausnahmeerscheinung in der Leichtathletik. Im Sprintbereich galt der Vaterstettener (Landkreis Ebersberg) als nahezu unschlagbar. Seine Erfolgsbilanz über 100, 200 und 400 sowie die altersgemäß entsprechenden Hürdenstrecken ist unglaublich. Über 300 Goldmedaillen bekam der ehemalige Schuhkaufmann umgehängt. Noch heute haben 14 Welt- und 26 seiner Europa-Rekorde Bestand. Dreimal wurde Guido Müller zum Welt-Sportler der Leichtathletik-Senioren gewählt. Eine Marke für die Ewigkeit.

Aus seinem Plan, national sowie international die Bestmarken in der Altersklasse M80 zu pulverisieren, wird nun aber nichts. Das abschließende 200-Meter-Rennen bei der Deutschen Senioren-Meisterschaft in Leinfelde (Thüringen) war auch Müllers letzter Wettkampfeinsatz. Dass er sich mit dem Gedanken trägt, seine Karriere zu beenden, hatte sich herumgesprochen. Vor den rund 200 im Stadion verbliebenen Teilnehmern, die ihn im Ziel trotz seines dritten Platzes mit Standing Ovations empfingen, sagte die Ikone der Senioren-Leichtathletik: „Jeder Athlet sollte, wenn er noch bei einigermaßen klarem Verstand ist, bestimmen, wann er seine Karriere beendet und er sollte es zum richtigen Zeitpunkt tun.“

Für Guido Müller war die Zeit gekommen, sich vom Leistungssport zu verabschieden. Blieb er in früheren Jahren verletzungsfrei („das Geheimnis meines Erfolges“), so häuften sich jüngst die Blessuren. Hinzu kamen Stürze beim Hürdentraining. „Ich habe stark nachgelassen in meiner Leistung“, bekannte der 80-Jährige, der im vergangenen Jahr noch bei fünf DM-Starts der Konkurrenz fünf Mal die Hacken gezeigt hatte.

„Nur“ Silber diesmal in Leinefelde über 400 Meter in einer für ihn inakzeptablen Zeit von 80,94 Sekunden („als nun 80-Jähriger erstmals über 80 Sekunden“) bestärkte ihn, das Kapitel Wettkampfsport zu beenden. Es war keine leichte Entscheidung. Aber ein Sieg der Vernunft.

Müller verabschiedete sich mit einem weinenden, aber auch lachenden Auge. Zu Willi Scheidt, der vor dem Vaterstettener über die 200 Meter als DM-Zweiter das Ziel erreicht hatte, sagte Müller: „Seit mehr als 30 Jahren, seitdem ich im Seniorenbereich aktiv bin, läufst du hinter mir her. Und jetzt warst du das erste Mal vor mir.“ Eine Feststellung, die der Ausnahmeerscheinung nicht wirklich leicht fiel.

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