„Inzwischen weiß Basti, wer ich bin“

von Redaktion

Julian Gressel über sein Abenteuer in der US-Profiliga und Duelle mit Idol Schweinsteiger

Los Angeles – Julian Gressel, 25, zog aus, um sich neben dem Fußball ein solides zweites Standbein aufzubauen. Der damals 19-Jährige tauschte 2013 das mittelfränkische Städtchen Neustadt an der Aisch gegen Providence im US-Bundesstaates Rhode Island ein. Heute spielt der Mittelfeldmann beim Profiklub Atlanta United, mit dem er im vergangenen Sommer als erster Deutscher seit Franz Beckenbauer den Meistertitel in der Major League Soccer gewinnen konnte.

Vor Kurzem standen Sie gegen Chicago Fire und Bastian Schweinsteiger auf dem Platz. Sind diese Begegnungen noch besonders?

Mittlerweile ist das etwas normaler geworden für mich, ganz normal wird es aber wohl nie werden. Vor allem am Anfang waren die Begegnungen sehr speziell, wenn mir mit Basti ein Weltstar und auch noch mein Idol gegenüber stand. Inzwischen kennen wir uns ganz gut, er weiß jetzt auch, wer ich bin (lacht). Wir begrüßen uns schon vor dem Aufwärmen und reden auch nach dem Spiel noch ein bisschen.

In Deutschland haben Sie für Bamberg in der Regionalliga Bayern gekickt, heute stehen Sie Stars wie Rooney oder Ibrahimovic gegenüber. Wie war das?

Bei mir gab es keine Ehrfurcht, sondern eher ein Erstaunen. Als ich Ibrahimovic oder Rooney zum ersten Mal live gesehen habe, war das schon etwas Spezielles. Gerade gegen die Stars wollte ich nicht verlieren, sondern anschließend sagen können: ,Ich habe gegen Zlatan gewonnen.’

Was fehlt einem Bayer wie Ihnen am meisten in den USA?

Mir fehlt natürlich am meisten meine Familie. Sonst vermisse ich Traditionen wie die Kerwa, eine Art ganz kleines Oktoberfest, bei dem sich alle Freunde treffen. Die Geselligkeit und das heimische Gefühl fehlen mir oft.

Wie kam es mit 19 zur Entschluss, in die USA zu gehen?

Ich war an einem Punkt in meiner Karriere angekommen, an dem ich darüber nachgedacht habe, von der Regionalliga Bayern in die 3. Liga zu wechseln. Aber ich war damals schon so realistisch, dass ich gerne nebenbei ein Studium beginnen wollte. Das wäre in der 3. Liga oder der Regionalliga schwer geworden. Die USA haben sich dafür angeboten, weil es dort sehr einfach ist, College und Fußballspielen zu verbinden.

Sie sind gemeinsam mit Ihrem Teamkollegen Kevin Kratz der erste Deutsche seit Franz Beckenbauer 1980, der in den USA den Meistertitel geholt hat.

Das ist sehr schön und macht mich stolz. Aber ich glaube nicht, dass wir beiden lange die einzigen in dieser Reihe bleiben werden. Es wechseln immer mehr Deutsche in die USA, die Liga wird besser und wächst kontinuierlich.

Wie ist das fußballerische Niveau in den USA?

Die Major League Soccer ist für mich schwer mit Deutschland zu vergleichen, weil ich dort nie Profi war. Kevin Kratz (14 Bundesliga- und 108 Zweitligaspiele für Braunschweig, Aachen und Sandhausen/Anmerkung d. Red.) sagt immer, dass das teamtaktische Niveau in Deutschland höher ist, die Spieler in den USA aber individuell stärker sind. Ich würde die amerikanische Liga irgendwo zwischen der ersten und zweiten Bundesliga einordnen.

Der FC Bayern bereitet sich mal wieder den USA vor. Wie wird der Club in den Staaten wahrgenommen?

Pro Spieltag werden hier ein oder zwei Bundesligaspiele im Fernsehen gezeigt. In Atlanta gibt es viele Fanclubs von Bayern und Dortmund. Allgemein leben in den USA viele Menschen, die aus Deutschland stammen. Dadurch ist der deutsche Fußball sehr bekannt und beliebt. Die Bundesliga ist nach der Premier League die zweitbeliebteste Liga.

Interview: Jonas Austermann

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