München – Als sich der Wind drehte, bliesen die Fahrer von Bora-hansgrohe zum Angriff. „Da ist jeder Vollgas gefahren“, berichtet Ralph Denk von der Aktion, mit der seine Equipe ihrem Kapitän Emanuel Buchmann dazu verhalf, auf den stolzen fünften Platz im Gesamtklassement der Tour de France vorzufahren – und zugleich einigen Mitkonkurrenten ein Schnippchen zu schlagen. „Emanuel hat bisher alles richtig gemacht. Wir sind optimistisch“, zieht Teamchef Denk am gestrigen Ruhetag eine erste Zwischenbilanz.
Die 40 Kilometer vor dem Etappenziel in Albi gestartete Offensive hatte mit Luftströmungen zu tun, die das Peloton nachhaltig destabilisieren können. „Es gab eine Windkante“, so Denk. Der zunächst herrschende Gegenwind änderte seine Richtung – und kam urplötzlich schräg von hinten. Eine gefürchtete Situation. Denk: „Da ist es am leichtesten, ein Feld auseinanderzufahren.“ Dies gilt ganz besonders, wenn sich Allianzen bilden. Und das war am Montag gegen Ende der zehnten Etappe der Fall. An der gnadenlosen Tempoverschärfung beteiligten sich auch die Fahrer von Ineos, Quickstep und Education First. Bei Bora drückten vor allem Marcus Burghardt (Denk: „Er hat einen super Job gemacht“) und auch Peter Sagan aufs Tempo.
Mit vereinten Kräften wurde das Peloton tatsächlich gespalten. Rund 40 Mann rasten vorneweg, die Fahrer im abgehängten Teil – darunter so prominente Akteure wie Jakob Fuglsang (Dänemark), Thibaut Pinot (Frankreich), Richie Porte (Australien) und Rigoberto Uran (Kolumbien) verloren auf der Flachetappe 1:40 Minuten. Ein schmerzlicher Rückschlag für das Quartett. „Für so ein Manöver braucht man eine tolle Mannschaft. Wir haben es versucht, und es hat geklappt“, freut sich Denk über die clevere Attacke.
Buchmann liegt somit frühzeitig aussichtsreich im Rennen – dabei geht es für den Kapitän erst morgen richtig los, wenn die erste Bergetappe in den Pyrenäen ansteht. Seine Topform im alpinen Terrain hatte der Schwabe schon im Juni beim Etappenrennen Dauphiné Libéré mit Rang 3 nachgewiesen. „Wenn du da aufs Podium fährst, bist du einer der Großen“, befindet Denk. Grundsätzlich sagte der Teammanager über seinen Spezialisten für steile Anstiege: „Er hat in dieser Saison einen Riesensprung gemacht.“
Diese Einschätzung teilt auch der amtierende Tour-Sieger Gerant Thomas, aktueller Zweiter der Gesamtwertung: „Emanuel fährt eine herausragende Saison, er hat sich gewaltig entwickelt.“ Und mit ihm das ganze Team. Auf Rang zwei der Weltrangliste stehen die Raublinger derzeit. Und bei der Tour sorgte bislang nicht nur Buchmann für Aufsehen. Peter Sagan, der dreifache Weltmeister aus der Slowakei, gewann bereits eine Etappe und trägt das Grüne Trikot des Punktbesten. „Es läuft bei uns alles nach Plan“, erklärt Denk, „die Stimmung im Team ist bestens.“
Einen bangen Augenblick gab es nur auf der ersten Etappe. Da wurde Buchmann kurz vor dem Ziel in einen Sturz verwickelt. „Wenn einer unserer Leute auf der Straße liegt, erschrickt man immer“, meint Denk. Das Malheur verlief jedoch glimpflich: Buchmann biss sich auf die Zunge und schürfte sich das Knie auf. Ansonsten überstand er den Crash schadlos.
Seither läuft es derart reibungslos, dass Denk darauf bedacht ist, weiteren Erwartungsdruck zu vermeiden. Auch wenn Buchmann derzeit auf Top-5-Kurs liegt, will der Teamchef die Tour-Ambitionen nicht nach oben korrigieren: „Unser Ziel sind die Top 10“, betont der 45-Jährige beharrlich. Schließlich birgt diese Tour noch kolossale Hindernisse. Am Ende der dritten Woche stehen drei aufeinanderfolgende Tage in den Alpen auf dem Programm – ein selten strapazenreiches und wohl auch die Tour entscheidendes Finale. Bei Bora hat man sich hierfür frühzeitig präpariert. „Wir haben alle drei Etappen abgefahren. Emanuel kennt jeden Anstieg“, sagt Denk, „wir sind guter Dinge.“