Struffs Geduld wird endlich belohnt

von Redaktion

FRENCH OPEN  Der 29-Jährige erreicht erstmals das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers

VON DORIS HENKEL

Paris – Für einen, der es gewohnt ist, mit kleinen Schritten vorwärts zu kommen, war es ein ausladender Jubel, und die Fotografen hinter der Bande freuten sich über das Motiv. Mit seinem Sieg in fünf Sätzen gegen die Nummer 15 der Welt landete Jan-Lennard Struff zum ersten Mal in seiner Karriere im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers, und dieser Erfolg ist als Zeichen für alle in den Sand geschrieben, auf dem weiten und komplizierten Weg zu den Sonnenplätzen Geduld zu bewahren.

Vor sechs Jahren spielte der Sauerländer Jan-Lennnard Struff, damals schon 23 Jahre alt, in Paris zum ersten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier, und bis Ende 2017 hatte er in insgesamt 17 Versuchen nicht mehr als zwei Spiele gewonnen. Wie man mit einer solchen Bilanz klar kommt? Er habe es immer geschafft, auch aus Niederlagen Kraft zu ziehen, sagte er vor ein paar Monaten in einem langen Gespräch mit dem Tennis Magazin; es ist eine Fähigkeit, ohne die die meisten Spieler aufgeschmissen wären.

Vielleicht gehöre er ja zu denen, die erst so mit 30 ihre beste Leistung zeigten, sagte er auch in dem Gespräch; sieht so aus, als läge er mit dieser Vermutung nicht falsch. Im vergangenen Jahr erreichte er in Wimbledon und bei den US Open in New York zum ersten Mal die dritte Runde, dieser Tage folgt im Stade Roland Garros die Premiere im Achtelfinale, und das ist der große Lohn für die Geduld bei den kleinen Schritten. „Auf Grand-Slam-Niveau zu spielen war lange Zeit nicht leicht für mich“, sagte er nach dem Sieg gegen Borna Coric. „Aber ich glaube, jetzt habe ich reingefunden.“ Einen wichtigen Part bei der Entwicklung spielt die Zusammenarbeit mit dem früheren Davis-Cup-Teamchef Carsten Arriens, der wie er ein eher introvertierter, ruhiger Typ ist. „Er ist jemand, der einem sehr gut puschen und neue Wege aufzeigen kann“, sagt Struff, der in diesem Jahr auch in anderer Hinsicht neue Wege entdeckt; vor ein paar Wochen brachte seine Freundin den gemeinsamen Sohn Henri zur Welt.

Es war eine anspruchsvolle Aufgabe, gegen Borna Coric zu gewinnen, nach der er demnächst – noch ein paar Zahlen – zum ersten Mal zu den besten 40 Tennisspielern der Welt gehören wird. Die Herausforderung in Runde vier könnte kaum größer sein, der Gegner heißt Novak Djokovic. Von Court 14 wird ihn der Weg auf einen der beiden größten Plätze im Stade Roland Garros führen, doch auch auf der höchsten Ebene hat Struff gewisse Erfahrungen gesammelt; im vergangen Jahr spielte er in Melbourne und in Wimbledon gegen Roger Federer. Und vor allem die letzte Begegnung mit einem der Großen gab ihm trotz einer Niederlage positive Zeichen, als er vor ein paar Wochen beim Turnier in Madrid in zwei engen Sätzen gegen Rafael Nadal verlor. „Natürlich ist man ein bisschen nervöser, wenn man auf einem der großen Plätze gegen einen der Großen spielen muss“, sagt Struff, aber vor allem freut er sich auf das Erlebnis.

Vor drei Monaten beim Turnier in Indian Wells gewann der derzeit zweitbeste deutsche Tennisspieler gegen den Besten; Jan-Lennard Struff besiegte Alexander Zverev in zwei klaren Sätzen. Nun kann man zwar sagen, Zverev sei in diesem Spiel in der Endphase einer Virus-Erkrankung nicht in guter Form gewesen, aber Struff legte Wert auf die Feststellung, auch einen angeschlagenen Gegner müsse man erstmal schlagen. In Paris saß Zverev am Samstag nach einem Sieg in fünf wechselvollen Sätzen gegen den Serben Dusan Lajovic in der Pressekonferenz, als er von Struffs Sieg gegen Coric erfuhr, und ganz offensichtlich freute er sich darüber. Die beiden so haben in der ersten Woche in Paris bisweilen miteinander trainiert, zur beiderseitigen Zufriedenheit. Über das Verhältnis zum jungen Kollegen, der in jeder Hinsicht in anderen Kreisen unterwegs ist als er selbst, sagt Struff: „Das ist gut; er ist ein netter Typ, alles in Ordnung.“

Zverev wird diesen Montag zum vierten Mal in seiner Karriere im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers spielen; einmal kam er noch einen Schritt weiter, vor einem Jahr in Paris. Für Prognosen, wie die Sache diesmal laufen könnte, ist der Spielraum ziemlich groß. Das liegt zum einen am ebenso unberechenbaren wie talentierten Gegner, dem Italier Fabio Fognini, vor allem aber an der Sammlung seiner eigenen wechselvollen Auftritte in der ersten Woche des Turniers.

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