Es ging auch ohne Heavy Metal

von Redaktion

Liverpool siegt, ohne Liverpool-Fußball zu zeigen – Der stille Held: Joel Matip aus Bochum

VON SEBASTIAN STIEKEL

Madrid – Am frühen Morgen nach dem Champions-League-Endspiel sangen sie wieder zusammen. Jürgen Klopp, sein Freund Campino von der Rockband „Die Toten Hosen“ und eine Menge Fans des FC Liverpool. Der große Unterschied zu dem mittlerweile berühmten Video von 2018 war nur: Diesmal hielt Klopp dabei die begehrteste Trophäe des Vereinsfußballs in der Hand. Im dritten Anlauf hat der deutsche Trainer zum ersten Mal die Champions League gewonnen. Der 2:0 (1:0)-Finalsieg gegen Tottenham Hotspur war die Krönung einer herausragenden, aber bislang eben noch unvollendeten Entwicklung.

Zwei vergleichbare Endspiele hatte der FC Liverpool zuvor verloren. Nach dem 1:3 gegen Real Madrid vor einem Jahr war das erste, von Trotz geprägte Video mit Campino überhaupt entstanden. Auch in der englischen Meisterschaft wurden die Reds mit unglaublichen 97 Punkten zuletzt nur Zweiter hinter Manchester City. Jetzt ist der lang ersehnte Titel endlich da. „Ich denke, wir haben das mehr verdient als jedes andere Team“, meinte Trent Alexander-Arnold.

Es prasselte viel Lob auf Trainer Jürgen Klopp, der auch noch den fairen Sportsmann gab („Ich weiß vielleicht besser als jeder andere, wie Tottenham sich jetzt fühlt“) und den unterlegenen Gegner tröstete. Fachlich ist er sowieso höchst anerkannt dafür, wie er Spieler wie Mo Salah und Virgil van Dijk weiterenwickelt und Verpflichtungen wie die von Torhüter Alisson durchsetzt. Doch nicht nur durch Klopp hatte Liverpools Triumph einen deutschen Anstrich. Es stand mit Joel Matip ja auch noch ein deutscher Spieler auf dem Platz. Ein Bochumer Junge.

Zum besten Spieler des Finals wurde Matips Nebenmann in der Innenverteidigung, Virgil van Dijk, erklärt. Und die Jubelbilder aus der Kabine des FC Liverpool stellten auch die anderen Kollegen ins Internet. Das Auffälligste an Matip ist, dass er fast nie auffällt – selbst wenn er wie bei diesem viel umjubelten 2:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur einer der wichtigsten Spieler auf dem Platz war.

„Ich war gar nicht so zufrieden mit meiner Leistung. Aber das ist mir heute egal“, sagte er. „Das ist einfach ein geiler Moment. Darauf haben wir ein Jahr hingearbeitet.“

Dass der FC Liverpool schon nach weniger als zwei Minuten in Führung ging, veränderte das gesamte Drehbuch dieses Finals. Eine Hochgeschwindigkeits-Mannschaft, die sonst im „Heavy-Metal“-Stil über ihre Gegner herfällt, ließ die Spurs auf einmal kommen. Und das ging nur deshalb relativ mühelos gut, weil die Innenverteidiger Matip und van Dijk Tottenhams Stürmerstar Harry Kane aus dem Spiel nahmen und gerade der frühere Bundesliga-Profi des FC Schalke 04 auch noch im Spielaufbau mehrere kluge und entlastende Pässe spielte.

Liverpools Trainer Jürgen Klopp hatte schon nach dem epischen 4:0-Halbfinal-Sieg gegen den FC Barcelona gesagt: „Was hat denn Joel Matip bitte heute gespielt? Das hat richtig Spaß gemacht.“ Der 27-Jährige hat in der Abwehr der Reds den kroatischen Vize-Weltmeister Dejan Lovren verdrängt. Seinen bis 2020 laufenden Vertrag will der Verein deshalb vorzeitig verlängern.

Dass Matip in Liverpool meist nur am Rande wahrgenommen wird, hat nicht nur etwas mit seinem eher zurückhaltenden Wesen zu tun. Anders als van Dijk oder der von RB Leipzig gekommene Naby Keita (fehlte wegen Leistenverletzung) hat er keine Ablösesumme jenseits der 50 Millionen Euro gekostet. Für den Sohn einer deutschen Mutter und eines kamerunischen Vaters zahlte der LFC sogar keinen Cent, als ihn Klopp 2016 als einen seiner ersten Transfers ablösefrei vom FC Schalke 04 holte.

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