Die linke Abwehrseite des FC Bayern in einem Raum: Gibt’s sonst mal Berührungspunkte zwischen Frauen und Männern?
David Alaba: Der Kontakt zwischen uns und den Mädels ist sehr selten. Wenn, dann sehen wir uns bei der Meisterfeier auf dem Rathausbalkon. Aber da ist es ja auch am schönsten (lacht).
Verena Schweers: Auf dem Balkon war ich noch nicht gemeinsam mit den Männern. Leider haben wir auch sonst nicht so viele Dinge, die wir zusammen machen. Das sollte meiner Meinung nach mehr sein. Die Frauen könnten mehr integriert werden, das hätte für uns einen Mehrwert. Wir könnten zum Beispiel mit den Männern vor Weihnachten zu den Fanclubs reisen. Ich denke, das wäre auch für die Jungs cool.
Wie ist es sportlich? Verfolgen Sie die jeweils andere Mannschaft?
Schweers: Die Männer sind total im Fokus der Öffentlichkeit, deswegen bekomme ich natürlich viel mit. Ich bin öfter im Stadion, schaue die Spiele auf Auswärtsfahrten auch gerne im Fernsehen. Alaba: Auch wir bekommen von den Mädels einiges mit, im Stadion war ich aber noch nicht so oft. Früher, als noch mehr Österreicherinnen beim FC Bayern gespielt haben, hatte ich mehr mit dem Frauenteam zu tun.
Kommen wir zu ein paar Klischees: Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball?
Schweers: Bei den Männern ist der Fußball natürlich viel schneller. Durch ihre kräftigere Statur spielen sie alles mit mehr Power. Das fehlt bei den Frauen noch. Sonst ist vieles ähnlich. Alaba: Mir gefällt, wie schnell sich das Ganze bei den Mädels entwickelt. In den letzten Jahren ist der Fokus auf die Mädels immer größer geworden. Speziell in Österreich hat die Frauennationalmannschaft zuletzt viel geleistet – das ist sehr beeindruckend und positiv. Es war auch medial eine große Sache für die Mädels. Wir in Österreich waren sehr stolz auf sie.
Frauen sollen näher am Wasser gebaut sein. Wie sehen Sie das im Fußball?
Schweers: Es ist eher im normalen Leben so, dass die Frauen sensibler sind und schneller mal weinen. Auf dem Fußballplatz trifft das nicht zu. Und: In unserem Spiel steckt nicht so viel Theatralik wie bei den Männern. Alaba: Emotionen gehören bei den Männern auf jeden Fall dazu. Oft ist der Druck sehr hoch – der von außen kommt und der, den man sich auch selbst macht. Es gehört zum Leben dazu, mal emotional zu sein und seine Gefühle rauszulassen. Vor allem, wenn wir einen Titel gewinnen und ich dann auf meinen Weg zurückschaue, sind es immer besondere Momente.
Fußballteams sollen Zicken bzw. Egoisten dabeihaben. Wie sieht’s in Ihren Mannschaften aus?
Schweers: Wir werden nur dann zickig, wenn wir Hunger haben und nichts zu essen bekommen … Sonst bedienen wir aber keine Klischees. Alaba: Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist gut. Sicher gibt es auf dem Platz und auch daneben mal Situationen, in denen ein bisschen Egoismus dazugehört. Ein Stürmer zum Beispiel muss eine gesunde Portion Egoismus haben, um Tore zu schießen.
Haben Sie in der Jugend beide auch mal gegen das andere Geschlecht gespielt?
Alaba: Bei meinem ersten Verein in Wien, dem SV Aspern, gab’s ein Mädchen in meiner Mannschaft. Ich kann mich noch gut daran erinnern, denn sie war wirklich gut. Schweers: Ich habe nur unter Mädels gespielt, weil ich erst mit elf Jahren – also relativ spät – mit dem Fußballspielen angefangen habe. Im Stützpunkttraining habe ich aber immer gegen Jungs gespielt. Auch auf dem Bolzplatz waren nur Jungs. Ich musste mich körperlich durchsetzen, habe dort viel gelernt.
Frau Schweers hat erzählt, sie kann unerkannt durch die Stadt laufen. Würden Sie das auch gerne einmal wieder tun, Herr Alaba?
Alaba: Für mich ist es natürlich deutlich schwieriger, wenn ich durch die Stadt gehe. Aber ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die ich von den Leuten bekomme. Es gibt natürlich Situationen, in denen es einfacher wäre, wenn ich unerkannt bleiben würde. Aber es gehört eben dazu.
Die Männer verdienen deutlich mehr als die Frauen. Ist die fehlende Privatsphäre der Preis, den die Männer zahlen?
Alaba: Wir müssen immer wieder Opfer bringen, um auf diesem hohen Niveau das zu machen, was wir wirklich lieben. Wir müssen auch Dinge aufbringen, die wir vielleicht nicht so gerne aufbringen möchten. Aber ich habe schnell gelernt, damit umzugehen.
Mehr Geld, weniger Privatsphäre: Würden Sie tauschen, Verena?
Schweers: Nein, würde ich nicht. Ich bin immer mit dem zufrieden sein, was ich habe. Das Finanzielle kann ich ohnehin nicht ändern. Die Aufmerksamkeit liegt nicht so auf uns Frauen, deswegen werden wir kaum erkannt, wenn wir durch die Stadt laufen. Aber auch wir müssen diszipliniert sein, wenn es um Ernährung, Regeneration oder Training geht.
Und trotzdem haben die Frauen nach der Karriere nicht ausgesorgt – im Gegensatz zu vielen Männern.
Alaba: Ich denke, man kann das nicht so einfach vergleichen. Der Frauenfußball ist erst in den letzten zehn Jahren größer geworden – zumindest nehme ich es so wahr. Wir Männer hingegen stehen schon sehr lange im Fokus. Vielleicht kommt es ja noch, dass die Mädels auch mehr verdienen. Ich glaube, das hat sich auch schon in die richtige Richtung entwickelt, oder? Schweers: Ja schon. Aber eher in anderen Ländern – noch nicht in Deutschland. Wir Frauen sollten uns beim Thema Gehalt aber nicht mit den Männern vergleichen, sondern eher mit Frauen in anderen Sportarten. Zum Beispiel können wir uns darüber beschweren, dass die Frauen im Tennis zum Teil viel mehr Geld verdienen.
Sie beide sind Linksverteidiger. Ist das auch Ihre Wunschposition?
Schweers: Ich stand früher sogar mal im Tor, das war mit 13 Jahren. Das fand ich aber nicht so cool, heute könnte ich mir das nicht mehr vorstellen. Wenn jemand aufs Tor bolzt, hätte ich schon ein bisschen Angst vor dem Ball und würde wegrennen. Sonst habe ich früher fast jede Position gespielt, weil ich eine von den Besten war. Alaba: Bei mir ist es ja kein Geheimnis, dass ich auch gerne im Mittelfeld spiele. In der Nationalmannschaft ist es auch heute noch öfter der Fall. Aber es funktioniert ja auch auf der linken Seite ganz gut (lacht).
Welche Vorbilder hatten Sie?
Alaba: Patrick Vieira war mein großes Vorbild. Schweers: Ich hatte eher Männer als Vorbilder. Frauenfußball war damals noch nicht so akzeptiert wie heute. Ich habe mir schon früher oft die Bayern angeschaut und vor allem Michael Ballack, Giovane Elber und Bixente Lizarazu gerne gesehen.
Ein großer sportlicher Traum, der Sie beide verbindet, dürfte der von einem WM-Einsatz sein.
Schweers: Ich gehe noch weiter: Ein Titel mit der deutschen Nationalmannschaft wäre ein Traum. Ich versuche, immer weiter an mir zu arbeiten – auch damit ich im kommenden Sommer bei der Weltmeisterschaft dabei bin. Die Basis dafür legt man im Verein – wenn man viel und gut spielt, und wenn man in den Wettbewerben weit kommt. Alaba: Der WM-Traum hat für mich und die österreichische Mannschaft einen großen Stellenwert. Wir haben uns ganz klar dieses Ziel gesetzt. Erst mal konzentrieren wir uns jetzt auf die Qualifikation für die EM 2020. Wir sind mit zwei Niederlagen schlecht gestartet, aber noch ist alles drin. Schon 2016, als wir uns zum ersten Mal sportlich für eine EM qualifiziert haben, ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Die Euphorie in Österreich war sehr groß, für uns Spieler war das ein Riesenerlebnis.
Verena, David hat mehr als doppelt so viele Titel gewonnen wie Sie. Ist es für die Bayern-Frauen ein Ziel, genauso eine Hausnummer in Deutschland zu werden wie es die Männer schon sind?
Schweers: Auf jeden Fall! Wir sind in der Bundesliga in letzten Jahren immer entweder auf Platz eins oder zwei gelandet. In der Champions League wollen wir in den kommenden Jahren versuchen, den Titel zu holen. Jetzt sind wir schon im Halbfinale, spielen dort gegen den FC Barcelona – und wer will am Ende nicht ganz oben stehen?
Da sind wir wieder beim Rathausbalkon. Beide Bayern-Teams spielen noch um zwei Titel. Sehen Sie sich im Mai auf dem Marienplatz wieder?
Alaba: Das wäre schön! Ich würde am liebsten mit der Meisterschale und dem DFB-Pokal dort stehen. Schweers: Dann komme ich auch mit zwei Pokalen – Pokal und Champions League (lacht). Interview: Jonas Austermann
„Wer werden nur zickig, wenn wir Hunger haben.“
„Ein Titel mit dem Nationalteam wäre ein Traum“