Konsequent gelebte Zwietracht

von Redaktion

Vor Heimspiel gegen Münster präsentiert sich 1860 als zerrissener Verein

VON LUDWIG KRAMMER

München – Wie sollen die Löwen mehr Torgefahr entwickeln? Woran liegt’s, dass die Serie an individuellen Fehlern nicht abreißen will? Mit derlei Fragen beschäftigte sich 1860-Trainer Daniel Bierofka in der Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Preußen Münster. Befragt wurde der Coach bei der freitäglichen Presserunde freilich auch nach nach dem jüngsten Zwist in der gespaltenen Fangemeinde. Seine Antwort: Es sei bedauerlich, dass man den Eindruck gewinnen könggggggne, der Sport sei bei 1860 „nur noch ein Nebenprodukt“. So schaut’s aus bei den Löwen im Frühjahr 2019. Sportlich ist der Drittliga-Aufsteiger zu 90 Prozent auf der sicheren Seite, perspektivisch steht die Profifußball-KGaA vor einer schwer kalkulierbaren Zukunft. Und politisch? Da ist der Verein so zerrissen wie noch nie seit der Beinahe-Insolvenz 2011, die bekanntlich den Einstieg des chronisch schlecht beratenen Investors Hasan Ismaik zur Folge hatte.

Vor der Präsidentschaftswahl am 30. Juni stehen sich die Befürworter der 50+1-Regel und die eher unterhaltungsorientierten Fans zunehmend feindselig gegenüber. Der frühere Zeitungsreporter Oliver Griss lässt auf seinem Internet-Blog keine Gelegenheit aus, gegen 1860-Präsident Robert Reisinger zu schießen, weiterbringen könne Sechzig nur Ismaik respektive dessen Gewehr bei Fuß stehender Sprecher Saki Stimoniaris, der sich für das Amt des Oberlöwen als „viel, viel besser“ geeignet hält als Reisinger und eine schweigende Fan-Mehrheit hinter sich wähnt.

Deutlich lauter sind die Ismaik-Gegner, zu denen sich auch die „Löwenfans gegen Rechts“ zählen. Am Mittwoch kündigte die 1995 gegründete Initiative den Verkauf von 100 Anti-Ismaik-Shirts im Vorfeld des Münster-Spiels an. In den Sozialen Netzwerken entbrannte eine Kontroverse, die tags darauf sogar die 1860-Geschäftsführung zu einem Friedensappell veranlasste. Um Ausschreitungen zu verhindern, solle auf einen Verkauf der Shirts verzichtet werden, teilten Günther Gorenzel und Michael Scharold mit. Generell seien die Fans aufgerufen, die im Vereinslied besungene Kameradschaft beim Wort zu nehmen.

Keine Chance. Gestern antworteten die „Löwenfans gegen Rechts“ mit einem Schreiben, in dem die Kritik der 1860-Verantwortlichen an der Initiative bei gleichzeitiger Tolerierung des umstrittenen Blogs als „blanker Hohn“ bezeichnet wird. Die Geschäftsführer sollten „sich entscheiden, ob sie uns als Feigenblatt oder als Prügelknaben gebrauchen wollen“. Zudem werde vonseiten des Klubs versucht, „uns juristisch unter Druck zu setzen. Dies wird an unserer Haltung nichts ändern (…)“. Einziges Zugeständnis deshalb: Die produzierten Anti-Ismaik-Shirts werden nicht verkauft, sondern verschenkt. Konsequent gelebte Zwietracht. Die Erfolgsmodelle HSV und Hannover lassen grüßen.

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