Frontenkrieg beim TSV 1860

Eskalation statt Rettungsparty

von Redaktion

ULI KELLNER

Ein Sieg am Samstag gegen Münster – und die Löwen hätten mal wieder einen Anlass, eine Giesinger Party zu feiern. 47 Punkte stünden dann auf der Habenseite, und die haben noch in jeder Saison zum Klassenerhalt gereicht. Eine Selbstverständlichkeit? Viele werden so denken. Fans, die den Jahrhundertabsturz von 2017 verdrängt haben. Klar ist auch: Ein Verein mit dem grundsätzlichen Potenzial des Altmeisters sollte sich nicht länger als nötig in der 3. Liga aufhalten. Aber: Unter den gegebenen Umständen ist der Platz in der erweiterten Spitzengruppe eine Leistung, die zudem dem Saisonziel entspricht. Neue Liga, Doppelbelastung des Trainers, frühzeitiger Verlust zweier Schlüsselspieler (Grimaldi, Moll), dazu die gewaltigen Fliehkräfte im Spannungsfeld des Investorenclubs. Es hätte auch anders laufen können.

Womit das Kernproblem dieser Löwen umrissen wäre. Dass die Bosse nämlich keine fröhliche Rettungsparty erwarten, sondern eine Eskalation der Gewalt befürchten, ist eine Entwicklung, die im Aufstiegstaumel 2018 nicht mal zu erahnen war. Damals hatten sich die verfeindeten Gesellschafter zu einem Minimalkompromiss durchgerungen, der es ermöglichte, das Regionalligateam mit ein paar Routiniers zu verstärken. Jetzt, so scheint es, droht der ganze Laden auseinanderzufliegen.

Ismaik-Anhänger und -Gegner gehen offen aufeinander los. Die Abkehr von ursprünglichen Zielen frustriert die einen (Stichwort Sparkurs). Die anderen schreien auf, weil einerseits Propaganda geduldet wird („Kommerzielle Internet-Blogs“), ihnen aber andererseits Instrumente des Widerstands (Plakate) aus der Hand genommen werden. Ein harmloses Motiv – 1860-Logo: Verdammt, ich lieb dich/Ismaik-Konterfei: Verdammt, ich lieb dich nicht – macht vor diesem Hintergrund Karriere. Es ist ein Nadelstich, zweifellos. Er soll provozieren und erfüllt diesen Zweck. Schmähkritik ist ja in Mode, siehe Böhmermann. Kritisch anzumerken ist, dass das Anti-Ismaik-Shirt auch von Vereinsmitgliedern promotet wird, die sich kraft ihres Amts eigentlich zu mäßigendem Verhalten verpflichten. Aber: Bei 1860 schreckt keiner mehr vor härtesten Bandagen zurück. Selbst gut beleumundete Gruppierungen (Löwenfans gegen Rechts) gehen jetzt dahin, wo es der anderen Seite garantiert wehtut.

Wohin das führen wird? Zunächst zu einer Mitgliederversammlung, die mal wieder zum Richtungsentscheid wird: Setzt sich Amtsinhaber Reisinger durch, bleibt der Profifußball „ein Projekt“. Wählt die Basis ihn ab, geht der Machtkampf weiter, denn es obliegt den Ismaik-Skeptikern im Verwaltungsrat, einen Ersatzkandidaten zu nominieren, der ziemlich sicher nicht Stimoniaris heißen wird. Die sichtbarste Folge des lähmenden Lagerkampfs wird aber auf dem Rasen zu sehen sein. Eine Rettung kurz vor Ostern – davon ist 2020 nicht auszugehen.

uli.kellner@ovb.net

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