Ende des Ausnahmezustands

von Redaktion

Bierofka ist offiziell Fußballlehrer – „mit das Extremste, was ich je erlebt habe“

VON CHRISTOPHER MELTZER

Köln – Am Tisch zwölf im Rheinsaal des Hyatt-Hotels in Köln beginnt am Donnerstagabend Daniel Bierofkas kleine Reise durch eine Welt, in der er sich nicht wirklich wohlfühlt. Er spaziert vorbei an den weißen Tischen, an denen die Ehrengäste des DFB an ihrem Wein nippen. Bierofka, dunkelblauer Anzug, dunkelblaue Krawatte, steigt auf die Bühne, Reinhard Grindel, der DFB-Präsident, packt seine Hand, murmelt ihm ein paar Sätze zu, Oliver Bierhoff, der DFB-Direktor, klopft ihm zweimal kumpelhaft auf die Schulter. Dann überreichen sie Bierofka das Zeugnis, das ihn offiziell zum Fußballlehrer macht. Er benötigt es, um auch in Zukunft die Profis des TSV 1860 trainieren zu dürfen – daheim in Giesing, wo wirklich keiner teure Anzüge trägt und keiner teuren Wein trinkt.

Als junger Trainer hat Bierofka, 40, schon viele Extremsituationen erlebt. Er ist mehrmals zur Hilfe geeilt, als die Löwen in der 2. Liga am Abgrund taumelten. Er hat auch angepackt, als der Club 2017 in die Regionalliga abstürzte. Und obwohl er sich mit Druck wahrlich auskennt, sagt er jetzt über die zehn Monate als Pendler zwischen Giesing und Hennef: „Es war von der Belastung her mit das Extremste, was ich je erlebt habe.“

Es gibt viele kleine Geschichten, die das belegen. In Hennef etwa hat Bierofka schnell beschlossen, sich ein Einzelzimmer im Hotel zu nehmen, weil er nach dem Unterricht bis spät in die Nacht mit seinem Co-Trainer Oliver Beer oder mit dem Sportdirektor Günther Gorenzel telefonierte. Mit Franz Hübl, ebenfalls Trainerassistent, schickte er sich Videoclips hin und her, die sich mit den Gegnern beschäftigten. „Vor 0 Uhr“, sagt Bierofka, „bin ich fast nie zur Ruhe gekommen.“

Im Herbst musste Bierofka auch erfahren, wie machtlos ein Trainer in der Ferne sein kann. Als Adriano Grimaldi (jetzt beim KFC Uerdingen) klagte, Bierofka sei ja nie da, und damit eine Medienlawine auslöste, wäre er gerne vor Ort gewesen. „Du kannst dich so nicht wehren, kannst nichts klarstellen“, sagt er. „Ich habe dann gelernt, Dinge einfach zu ignorieren. Es hätte mich sonst wahnsinnig viel Energie gekostet.“

Es gibt aber auch Momente, an die sich Bierofka gerne erinnern wird. An Fachdiskussionen mit Psychologen und Trainingsforschern, die ihn weitergebracht haben. Auch an lustige Episoden, etwa jene, als er beim Ausflug zur U-19-EM keine kurzen Hosen eingepackt hatte, weil er dachte, ist ja Finnland, dann aber bei 35 Grad schwitzend im Stadion sitzen musste.

Auf der Bühne in Köln hat Bierofka dann gezeigt, dass er seinen Humor nicht verloren hat. Der Moderator wollte wissen, wie die stressige Zeit zu meistern gewesen wäre. Da sagte Bierofka nur: „Zum Glück hab’ ich einen ruhigen Verein, da geht das ja.“

Artikel 23 von 39