Podgorica – Raheem Sterling gab die Antwort auf den Rassismus-Eklat von Podgorica mit Worten und Taten. „Die beste Art, Hater zum Schweigen zu bringen“, schrieb der englische Stürmerstar bei Twitter neben ein Foto seines „Ich kann euch nicht hören“-Torjubels. Er schob hinterher: „Ja, ich meine Rassisten.“ Dahinter ein Hashtag: „Bildet euch mal.“
Mit Affenlauten und anderen rassistischen Schmähungen waren die dunkelhäutigen Three-Lions-Spieler während des 5:1-Sieges in der EM-Qualifikation in Montenegro beleidigt worden. Es traf Danny Rose, es traf Callum Hudson-Udoi. Es traf Raheem Sterling, indirekt auch Jadon Sancho von Borussia Dortmund, der auf der Bank saß.
„Es regnete Hass“, stellte die Tageszeitung Telegraph entsetzt fest, Englands Teammanager Gareth Southgate sprach sichtlich erschüttert von einem „sehr traurigen Abend“ – nur fünf Tage nach den Ausfällen während des deutschen Länderspiels gegen Serbien in Wolfsburg.
Southgate traf während seiner Pressekonferenz im „Stadion pod Goricom“ perfekt den Ton. Er sprach klar und gefühlvoll, abwägend, fair, klug und sehr persönlich. „Meine Kinder denken keine Minute darüber nach, wo Menschen geboren sind, welche Hautfarbe sie haben“, sagte er: „Junge Menschen. Die sind noch unschuldig. Um sie müssen wir uns kümmern. Sanktionen sind wertlos, wenn sie nicht von Erziehung begleitet werden.
Dennoch wird es Sanktionen geben. Die UEFA, mit eigenem Beobachter vor Ort und von England umgehend alarmiert, hat ein Verfahren eröffnet. Sie sieht in Paragraf 16 ihres Disziplinar-Codes zunächst „einen Zuschauer-Teilausschluss“ vor, mindestens. Im Wiederholungsfall drohen Spiele vor leeren Zuschauerrängen und Punktabzüge.
Southgate weiß, dass dies möglicherweise wenig bewirkt oder an falscher Stelle ansetzt. „Du kannst Vereine oder Verbände bestrafen, aber das wird die Einstellung Einzelner nicht ändern“, sagte er: „Es ist sehr traurig. Callum ist 18. Er wird nach dem Spiel interviewt, er sollte über seine Freude am Spielen reden, und dann so was.“
Auch Hudson-Udoi äußerte sich gewandt und angemessen, beschämend war jedoch die Reaktion von montenegrinischer Seite. Schon bei der ersten Frage an Trainer Ljubisa Tumbakovic grätschte ein Pressemann aggressiv dazwischen, er verkündete unter dem Protest der englischen Journalisten: „Niemand hat rassistische Äußerungen gehört. Niemand! Es gab keine.“
Doch. Southgate hörte sie, seine Spieler, der UEFA-Delegierte, Reporter und Kommentatoren. Es waren keine konzertierten Gesänge ganzer Blöcke, sondern Einzelfälle, die sich zu einem üblen Bild summierten. „Das waren eindeutig und klar rassistische Schmähungen. Da kann Montenegro abstreiten, wie es will“, schrieb der Telegraph. Tumbakovic redete sich trotzdem heraus: „Ich war auf das Spiel konzentriert.“
Der montenegrinische Verband kündigte gestern immerhin an, dass – sollten sich die Vorwürfe bestätigen – „alles unternommen wird, um die unverantwortlichen Individuen zu identifizieren“, um sie für Verbandsspiele zu sperren. Southgate hätte womöglich sogar seine Spieler aufgefordert, das Feld zu verlassen. „Ich bin nicht 100 Prozent sicher, ob ein Spielabbruch das wäre, was sie gewollt hätten“, sagte er: „Sie wollen eigentlich nur Fußball spielen.“
Das war am Dienstagabend halbwegs möglich, England überzeugte mit Wucht und Spielwitz: Es waren „fünf Schläge ins Gesicht der Rassisten“, wie der Mirror titelte. Die Unbeschwertheit allerdings war verflogen, sie wich Wut und Enttäuschung. „Wir müssen einfach weitermachen, eine starke Mentalität behalten und dürfen uns davon nicht unterkriegen lassen“, sagte Hudson-Udoi.