München – Anfang März hat Daniel Bierofka erzählt, wie sehr er sich an die Fahrten nach Hennef gewöhnt hatte, an die Lernerei im Zug, an das kollegiale Miteinander im 65. Fußball-Lehrer-Jahrgang des DFB. „Schon komisch, dass das dann von einem auf den anderen Tag vorbei ist“, sagte er. Morgen, bei der Trainer-Gala in Köln, sieht er sie noch einmal wieder, seine Leidensgenossen aus der zehnmonatigen Ausbildung an der DFB-Akademie – und auch den Lehrmeister Daniel Niedzkowski, 42, von dem der 1860-Coach sein Diplom ausgehändigt bekommt. Ob Bierofka wirklich so ein Musterschüler war, wie alle glauben, wo er seine Stärken und Schwächen hatte – darüber sprachen wir mit dem Mann, der den Ausbilderjob beim DFB seit 2008 mit dreijähriger (Co-Trainer in Leverkusen) Unterbrechung ausübt.
Herr Niedzkowski, haben Sie Ihren Smoking schon rausgehängt? Oder geht es gar nicht so feierlich zu bei der Trainer-Gala?
Doch, das ist schon ein feierlicher Anlass. Ein Smoking wird’s jetzt nicht bei mir, aber Anzug und Krawatte packe ich dann schon mal aus.
Es ist ja die insgesamt 7. Klasse, die Sie betreut haben. Konnten Sie auch etwas lernen von Bierofka, Andreas Hinkel und Co.?
Auf jeden Fall. Es ist ohnehin nicht mein Stil, dass ich von oben herab sage, wie es geht. Meine Aufgabe ist es eher, das zu strukturieren, was sie sowieso mitbringen. Es sitzt schließlich ganz viel Wissen und Trainererfahrung im Raum. Auch ich lerne da viel.
Die Noten werden ja morgen noch nicht verkündet. Was ist der Grund?
Das wäre zeitlich nicht machbar. Es gibt am Abend eine Urkunde für die Teilnehmer, die Zeugnisse folgen dann einige Wochen danach.
Können Sie denn verraten, ob alle 24 Teilnehmer bestanden haben?
Das könnte ich . . . aber nur unter uns (lacht).
War es denn eine eher strebsame oder eine anstrengende Klasse?
Ist das ein Gegensatz? Auch eine strebsame Klasse kann anstrengend sein (lacht). Es war auf jeden Fall eine sehr ehrgeizige Gruppe. Jeder wollte ganz viel für sich mitnehmen. Trotzdem haben sie ihr Wissen miteinander geteilt. Es gab eine erfrischend offene Gesprächskultur – mit sehr ehrlichem Feedback.
Stichwort Ehrgeiz. Bei 1860 gilt Daniel Bierofka als Trainertalent, der Eifer mit Ehrgeiz paart – und sehr detailversessen ist. Wie haben Sie ihn erlebt?
Das würde ich zu 100 Prozent unterschreiben. Ehrgeizig ist er nicht nur, was Ergebnisse angeht, sondern auch seine eigene Entwicklung. Er ist total fleißig und akribisch. Sehr verbindlich in dem, was er sagt. Ehrlich mit sich – und mit anderen. Auch die Detailversessenheit würde ich unterschreiben, er saugt wirklich alles auf.
Ist er ein Streber?
Nein, das ist er nicht. Bei dem Wort denke ich an den klassischen Nerd, aber das ist er nicht, auf keinen Fall. Er ist ehrgeizig, aber kein Streber.
Er selber sagt, dass er sich vor allem in Physiologie „nicht schlecht“ angestellt habe. Können Sie das bestätigen?
Das ist zwar nicht mein Fachbereich, aber die Ergebnisse sprechen für ihn. Da hat er sich richtig reingekniet. Das kennzeichnet ihn ja generell. Er hat immer den Anspruch, das Maximale zu leisten.
Die fußballspezifischen Aufgaben dürfte er als Ex-Nationalspieler mit links gemeistert haben, oder?
Er hat auch das sehr gut gemeistert, aber ich glaube nicht, dass das was mit Spieler oder nicht Spieler zu tun hat. Sagen wir so: Das hatte er einigen anderen voraus. Andererseits sei zumindest kurz erwähnt, dass auch andere Trainer einen wirklich guten Eindruck hinterlassen haben.
1860 ist ja ein traditionell unruhiges Pflaster – bei dem viel diplomatisches Geschick gefragt ist. Beherrscht er die Klaviatur der Psychologie?
Auf jeden Fall. In so einem Umfeld ist auf der einen Seite Diplomatie gefragt – auf der anderen muss man aber auch klare Worte sprechen. Das kann er beides. Er ist sehr sensibel dafür, was eine Situation erfordert. Er kann sich psychologisch geschickt verhalten, Menschen für sich gewinnen – auch durch seine ehrliche, verbindliche Art.
Es klingt, als wäre er ein Naturtalent als Trainer.
Ein riesiges Trainertalent aus meiner Sicht. Er macht das richtig, richtig gut. Ich finde es wichtig, dass wir Leute wie ihn als Trainer haben, und ganz sicher – ob jetzt bei 1860 oder woanders – ist das noch nicht das Ende seines Weges.
Hatte er bei der Benotung einen Bonus wegen seiner Doppelbelastung?
Nein. Der Faktor war bei ihm natürlich gegeben, aber dann müsste man auch bei anderen gewisse Umstände wohlwollend beurteilen. Wenn wir damit anfangen, kommen wir in Teufels Küche.
Seit Bierofka nicht mehr wochentags in Hennef ist, läuft es sportlich: Aus den letzten fünf Spielen holte 1860 vier Siege. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
Sie gewinnen jetzt halt Spiele 1:0, die sie vorher noch 1:1 gespielt haben. Wenn sich’s in Ergebnissen widerspiegelt, soll es mir recht sein, aber ich find es vor allem für sein eigenes Belastungs-Management wichtig, dass er mal runterkommt. Und dass er jetzt immer vor Ort ist, sollte der Mannschaft idealerweise auch nicht schaden (lacht).
Ihr Schwerpunkt bei der Ausbildung soll ja weniger auf der Taktik und mehr auf der Führungsqualität der angehenden Fußballlehrer gelegen haben. Was steckt dahinter?
Es geht um die Frage, was wir wirklich mehr brauchen in Deutschland. Taktisch sind wir eh auf einem sehr hohen Niveau, auch im internationalen Vergleich. Die taktische Entwicklung vollzieht sich fast automatisch, dadurch dass man Spiele sieht, Gegner analysiert und so weiter. Schwerer im Alltag zu lernen ist, welcher Stil der Führung zu einem passt, weil am Ende aus meiner Sicht die zwischenmenschlichen Dinge den Ausschlag geben.
Den klassischen Schleifer gibt es gar nicht mehr, oder?
Schwer zu sagen. Generell glaube ich, dass sich im Fußball gerade die Machtverhältnisse ändern. Dass die Spieler sehr, sehr viel Macht haben – und dass dadurch der Trainer einen anderen Führungsstil braucht. Die Spieler wollen einbezogen werden und mitreden. Diese autokratische Nummer, die kann schon noch funktionieren, aber es wird den Spielern nicht mehr gerecht, die mit unheimlich viel Wissen und taktischem Gespür aus den Leistungszentren kommen.
Zu hören ist, dass es unter Ihrem Vorvorgänger Erich Rutemöller auch mal feucht-fröhlich zugegangen ist bei den Teilnehmern. Haben Sie auch manchmal ein Auge zudrücken müssen?
Wie ich gehört habe, wurde abends sicher mal das eine oder andere Bierchen getrunken, aber das fiel damals auch leichter, weil die Ausbildung mitten in Köln war und nicht in Hennef draußen. Generell finde ich es durchaus wichtig, wenn so etwas passiert, wenn sie am Abend auch mal informell zusammensitzen. Dadurch entsteht auch total viel, das ist wie ein verstecktes Curriculum.
Zurück zu 1860. Die Löwen haben jeweils neun Punkte zu den Aufstiegs- und den Abstiegsplätzen. Was würden Sie Bierofka raten: Schön defensiv bleiben? Oder mal verbal einen raushauen?
Dazu würde ich auf gar keinen Fall raten. So, wie ich 1860 kennengelernt habe, ist es auch gar nicht notwendig, Stimmungen zu befeuern. Das kommt von ganz alleine. Tiefstapeln, das weiß er selber, ist bei 1860 wahrscheinlich die bessere Alternative.
Trauen Sie Bierofka zu, bei 1860 eine Ära zu prägen wie Werner Lorant, sein erster Lehrmeister?
Ja, absolut. Ich glaube auch, dass er jemand ist, der gerne Kontinuität hat. Außerdem hat er sehr klare Visionen, wie er den Verein weiterentwickeln würde. Er würde das allerdings auf seine eigene Art machen, nicht nach Art von Werner Lorant.
Interview: Uli Kellner