Miami – Fast jeden Abend wird der neueste Zuschauerrekord verkündet, und die Zahlen sind in der Tat eindrucksvoll. Bei der Premiere der Miami Open im Hard Rock Stadium lag der Spitzenwert eines einzelnen Tages rund 14 000 über der Bestmarke aus mehr als 30 Jahren Turniergeschichte. Alles andere wäre auch verwunderlich, da die Kapazität der neuen Anlage die der alten deutlich übertrifft. Weil der idyllische Tennis-Spielplatz im Crandon Park auf der Insel Key Biscayne in die Jahre gekommen war und nicht mehr genug Platz bot, wurde das Turnier in den Norden der Stadt transferiert, wo die Miami Dolphins aus der NFL zuhause sind.
Key Biscayne mit Tausenden von alten Palmen und seinen wunderbaren Stränden und das schmucklose Industriegelände in Miami Gardens – viel größer können Gegensätze nicht sein. Roger Federer meinte neulich, schon die Fahrt über die Brücke, den berühmten Rickenbacker Causeway, hinüber nach Key Biscayne habe einen speziellen Reiz gehabt, und an den Crandon Park habe er sehr schöne Erinnerungen. „Ich verstehe die Gründe für den Wechsel, aber ich werde die alte Anlage vermissen – wie vermutlich alle Spieler.“
Wo Federer vor einer kleinen Ewigkeit von 15 Jahren zum ersten Mal gegen Rafael Nadal spielte, vergnügen sich heute Tennisspieler aller Klassen, die auf der öffentlichen Anlage für acht Dollar die Stunde einen perfekt präparierten Platz buchen können. Und wo vor einem Jahr auf den Wegen rund um den Centre Court Volk wandelte, grast jetzt Federvieh, sichtlich zufrieden.
Die Miami Open hatten bis vor rund zehn Jahren den inoffiziellen Status des besten und attraktivsten Turniers auf der Ebene unterhalb des Grand Slam, doch mit dem Aufstieg von Indian Wells an der Westküste wurde der Verlust an Renommee und Komfort immer deutlicher. Wegen Privatbesitzes im Crandon Park gab es keine Möglichkeit, die alte Anlage zu erweitern, und mit der Unterstützung des Milliardärs Stephen Ross, dem die Miami Dolphins und das Hard Rock Stadium gehören, wurde der Umzug von der Insel in den kargen Norden beschlossen.
Keine Frage, für die Spieler bieten sich jetzt ganz andere Möglichkeiten: Auf insgesamt 29 Plätzen gibt es gute Trainingsmöglichkeiten, die Fläche für die Kabinen und Umkleideräume wuchs um 70 Prozent, und die Lounge inklusive des Restaurants ist nun dreimal so groß wie früher. Das Fassungsvermögen des neuen Centre Courts entspricht mit 14 000 in etwa dem alten, allerdings in einer sehr speziellen Form. Der Court wurde mitten ins Footballfeld platziert, begrenzt von drei Stahlrohrtribünen und einer der festen Tribünen des Stadions. Weil diese eine deutlich weniger steil nach oben führt als die anderen drei hat man kein so kompaktes Gefühl wie in einem gewöhnlichen Stadion.
Nach seinem ersten Spiel meinte Federer, das sei schon alles sehr anders und auch gewöhnungsbedürftig. „Obwohl vielleicht das (Tennis-)Stadion voll ist, kann man das Gefühl bekommen, dass es alles leer ist – hintenrum ist es ja leer (auf den Footballtribünen).“
Die Zuschauer mit einem Ticket für die oberste Reihe der festen Tribüne sehen die Spieler im gleichen Miniaturformat wie im Arthur Ashe Stadion bei den US Open in New York. Genau das ist der Vergleich, der in Miami interessiert. Den Rückstand zu Indian Wells wettmachen, mit den US Open konkurrieren, das ist der Plan.
Aber manches wird es in der großen neuen Welt nicht mehr geben, und dazu gehört der Besuch von Leguanen, die sich im Crandon Park gelegentlich auf den Tennisplätzen blicken liessen; kein Leguan würde freiwillig auf dem riesigen Gelände vor dem Hard Rock Stadium mit Zehntausenden von Parkplätzen übernachten wollen. Auf Parkplätzen übrigens, die während des Turniers für die Kleinigkeit von 40 Dollar pro Tag zu haben sind.