München – Die Stimme von Uli Hoeneß war gedämpft, nicht auf Krawall gebürstet wie sonst manchmal, wenn dem Präsidenten des FC Bayern etwas missfällt. Das Bundesliga-Spiel am Sonntag gegen den FSV Mainz 05 gab ja auch wirklich keinen Anlass, in Rage zu verfallen. Mit dem 6:0-Sieg bauten die Münchner den Vorsprung vor Borussia Dortmund in der Tabelle auf sieben Tore aus. Aber national ist der deutsche Rekordmeister in der Rückrunde schon länger wieder auf Kurs und dominiert seit ein paar Wochen die Gegner fast nach Belieben.
Hoeneß hatte vielmehr etwas auszusetzen an der Einordnung der 1:3-Niederlage gegen Liverpool vier Tage zuvor. „Die Spieler haben mit zu wenig Mumm gespielt“, sagte er, aber daraus abzuleiten, der FC Bayern sei international nicht konkurrenzfähig, „das ist mir viel zu weit hergeholt“.
Nun war aber genau das Duell mit Mainz ein weiteres Indiz dafür, dass zwischen Bundesliga und Premier League tatsächlich eine größere Lücke klaff. Der Rückschluss, die Bayern hätten den Anschluss an die ganz Großen in Europa verpasst, ist durchaus zulässig. 17 Tore erzielte das Team von Trainer Niko Kovac in den vergangenen drei Meisterschaftsspielen, gegen Liverpool in zwei Partien kein einziges, denn für den zwischenzeitlichen Ausgleich am vergangenen Mittwoch hatten die Engländer auch noch selbst gesorgt.
Während in der Bundesliga die Mannschaften den Bayern wieder mit gehörigem Respekt begegnen oder einfach qualitativ nicht in der Lage sind, dagegenzuhalten, ist es im international Vergleich genau andersherum. Die Münchner spielten gegen Liverpool zu mutlos, das aber führte Hoeneß nicht auf fehlende Klasse zurück, sondern vielmehr betrachtet er die Partie als Ausreißer. Man habe „sehr schwach“ gespielt, „aber das kann mal vorkommen“.
Womöglich will Hoeneß nicht noch Salz in die Wunde streuen, die das Aus in der Champions League hinterlassen hat. Auch er selbst, gab der Präsident zu, brauche „noch ein paar Tage“, bis das Scheitern an Jürgen Klopps Mannschaft verdaut sei. Doch den Bayern-Verantwortlichen dürfte nicht entgangen sein, dass jene Spieler, die gegen Mainz herausstachen im Königsklassen-Vergleich mit Liverpool nicht in der Lage waren, Akzente und Impulse zu setzen.
James traf am Sonntag gegen eine vor allem in der zweiten Hälfte sehr indisponierte Mainzer Abwehr drei Mal, vier Tage zuvor war der Kolumbianer noch abgetaucht. Vielleicht sind diese Leistungen auch der Grund dafür, dass sich die Verantwortlichen sehr zurückhaltend darüber äußern, ob der FC Bayern die Option, die Leihgabe von Real Madrid am Saisonende für 42 Millionen Euro zu kaufen, ziehen oder nicht. „Im Großen und Ganzen ist er ein großartiger Spieler“, sagte Hoeneß über James und sprach bei der anstehenden Entscheidung von einer „Gesamtbetrachtung“. Womöglich bedeutet dies, dass die Bayern noch nicht davon überzeugt sind, ob James tatsächlich der Spieler ist, der auch international den Unterschied ausmachen kann. Am Mittwoch war er es jedenfalls nicht.
Seine Mitspieler sehen James’ Klasse nicht in dem großen von den Verantwortlichen zu beurteilenden Zusammenhang. Torhüter Manuel Neuer findet den 27-Jährigen „brutal wichtig, wenn wir den Ball haben“, Niklas Süle schwärmt von den Fähigkeiten des linken Fußes von James, der, sagte er, „ist einmalig“.
Wie James dürfte auch Robert Lewandowski unter Beobachtung stehen. Der Pole konnte am Mittwoch den Vorwurf nicht entkräften, seit längerer Zeit kein Stürmer mehr zu sein für die großen Spiele. Speziell gegen Liverpool fehlten dem Polen aber auch geeignete Zuspiele, um sich in Szene zu setzen. Und dann ist da noch Niko Kovac. An dem Coach wird seit dem Liverpool-Aus wieder mehr herumgenörgelt. Was er zu den Kritikern sage, die meinen, er sei nicht der richtige Trainer für den Umbruch, wollte am Sonntag jemand wissen. Ausnahmsweise lächelte Kovac diese unangenehme Frage nicht weg, sondern flüchtete sich in Ironie. „Werden wahrscheinlich recht haben“, antwortete Kovac. Er ahnt wohl, dass ihn diese Diskussion noch länger begleiten wird.