Koch der Zukunft

von Redaktion

Der FC Bayern bindet Serge Gnabry – einen Fußballertypen, den es in Deutschland selten gibt

VON CHRISTOPHER MELTZER

München – Am Samstagabend hat Serge Gnabry mal wieder auf dem Fußballfeld gekocht. Im Borussia-Park in Mönchengladbach ist er in der 75. Minute zur Eckfahne gelaufen und hat mit einem imaginären Löffel in einer imaginären Schüssel gerührt. So feiert er jedes seiner Tore – er hat sich den Jubel beim US-Basketballer James Harden abgeschaut, der kräftig rührt, wenn er ein paar Mal in Folge trifft und, nun ja, heißkocht. In den vergangenen Monaten jedenfalls durfte Serge Gnabry ziemlich oft kochen.

Das Tor, das ihn am Samstag zum Kochen brachte, war allerdings nicht sehr spektakulär. Er musste den Ball aus weniger als fünf Metern ins Tor schießen. Eine leichte Übung für einen, der schon zweimal das Tor des Monats geliefert hat: 2017 mit einem Volleyschuss für Werder Bremen, 2018 mit einem 45-Meter-Heber für die TSG Hoffenheim. Seit dem vergangenen Sommer spielt Gnabry beim FC Bayern – und weil er das noch spektakulärer tut, als sie es sich dort erhofft haben, haben sie seinen Vertrag gestern vorzeitig um drei Jahre bis Juni 2023 verlängert.

Die Entscheidung dürfte den Bayern nicht schwergefallen sein. Sie haben in den vergangenen Monaten aus der ersten Reihe bestaunt, dass Gnabry, 23, wirklich leisten kann, was sein Talent schon immer versprochen hat. Sie sahen die Geschwindigkeit, die Dribblings, die Laufwege, den festen Torschuss – und natürlich auch die Tore. In 29 Pflichtspielen hat der Außenstürmer achtmal getroffen. Die Bayern sahen einen Fußballer, dem man anmerkt, dass er schon viel hinter sich hat.

Mit 15 wechselte Gnabry – ivorischer Vater, schwäbische Mutter – vom VfB Stuttgart zum FC Arsenal. Mit 17 lief er in der Champions League auf, mit 18 traf er in der Premier League. Mit der deutschen U21 ist er Europameister und Silbergewinner bei Olympia geworden. Und trotzdem gab es immer auch diejenigen, die zweifelten, die sich wunderten, ob hinter dem Spektakel nicht auch zu viel Leichtsinn steckt. In England warfen sie ihm schlechte Ernährung und Verletzungsanfälligkeit vor. Es war tatsächlich eine Rückenverletzung, die Gnabry zwischenzeitlich ausbremste. Er wurde zu West Bromwich Albion verliehen, zog weiter, in die Bundesliga, zu Werder Bremen, wo das Spektakel in seinem Spiel wieder aufblitzte. Also kaufte ihn der Marktführer, der FC Bayern, der damals vorsichtig in seine Zukunft investierte, Gnabry mit Blick auf die Gegenwart aber lieber noch ein Jahr in Hoffenheim parkte.

Jetzt, da die Wette mit Gnabry für die Bayern aufgegangen ist, hat Hasan Salihamidzic, der Sportdirektor, gesagt: „Er hat in seiner ersten Saison bei uns nochmal einen großen Schritt nach vorne gemacht.“ Man könnte jenen Satz allerdings auch umdrehen: Es war Serge Gnabry, der den Bayern geholfen hat, einen Schritt nach vorne zu machen. In Niko Kovac’ Angriffssystem, dem an vielen Tagen ein konkreter Plan zu fehlen scheint, hat der Einzelkünstler Gnabry Tore erzwungen – und so Spiele entschieden. „Ich gehe gern ins Risiko, versuche, einen Weg zum Tor zu finden“, hat er im Herbst der „Zeit“ gesagt. „Und wenn es nicht klappt, versuche ich’s noch einmal, nur anders.“ In Deutschland gab es Fußballer mit dieser Fähigkeit zuletzt selten. Das hat auch der FC Bayern verstanden.

Acht Tore in 29 Pflichtspielen

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