München – Wenn der Deutsche Eishockey-Bund in den vergangenen drei Jahrzehnten einen neuen Bundestrainer präsentierte, wurde diese Personalie oft von einem beifälligen Raunen begleitet.
1991, Dr. Ludek Bukac. Der Eishockey-Professor, 1985 Weltmeister mit der Tschechoslowakei geworden.
1994, George Kingston, der Cowboy mit den Schlangenlederstiefeln. Er hatte eben erst die 33 titellosen Jahre Kanadas beendet. Ein aktueller Weltmeister-Trainer also!
1998, Hans Zach. Der Charakterkopf aus der deutschen Liga, überfällig.
2005, Uwe Krupp. Der erste Deutsche, der als Spieler den Stanley Cup gewonnen hatte. Respektsperson.
2015, Marco Sturm. Der einzige Deutsche mit über 1000 NHL-Spielen. Sonny-Boy mit Kompetenz.
Es gab auch Lösungen, die nicht mehr bekamen als Anstandsbeifall: 2004, Greg Poss – in der DEL erfolgreich, aber zu nassforsch. 2011, Jakob „Köbi“ Kölliker, ein Schweizer, eher der ewige Assistent. 2012, Pat Cortina – respektable Arbeit mit München, aber reicht das als Empfehlung? Doch auch diese drei „Zwischentrainer“ waren ein Begriff.
Anders als Toni Söderholm, der seit 1. Januar 2019 im Amt ist und heute in Memmingen (19.30 Uhr/parallel zum Münchner Champions-League-Finale) und morgen (19.30 Uhr) in Bietigheim erstmals bei Länderspielen – Gegner: die Schweiz – an der Bande stehen wird. Mehr als bei jedem seiner Vorgänger bestand bei ihm Wer-ist-das-Erklärbedarf. Denn die Trainererfahrung des 40-jährigen Finnen beschränkt sich auf: ein Jahr Co in der DEL (München), ein Jahr Chef in der DEL2, eine halbe Saison Oberliga (Riessersee). Im Vergleich zu Sturm ein Nobody.
Dennoch hat der DEB sich aus voller Überzeugung für ihn entschieden. Sportdirektor Stefan Schaidnagel: „Auf Basis unserer strukturellen Veränderungen haben wir ein Anforderungsprofil erstellt, geschaut, wer dazu passt – und sind bei Toni Söderholm rausgekommen. Er agiert auf fachlich sehr hohem Niveau, kann junge Spieler sehr gut ansprechen, denkt systemisch fürs deutsche Eishockey, und aufgrund seines Lebenswegs kann er einen Mehrwert bringen. Die Empathie, die er hat, ist fürs Trainer-Spieler-Verhältnis unglaublich wichtig.“
Söderholms erste Nationalmannschaft ist ein Perspektivteam aus Spielern unter 25, von denen Jonas Müller (Berlin), Stefan Loibl (Straubing), Frederik Tiffels, Fabio Pfohl (Köln), Markus Eisenschmid (Mannheim) und Lean Bergmann (Iserlohn) schon Turnier- oder richtige Länderspielerfahrung haben. Vor allem am Übergang vom Junioren- ins Erwachsenen-Eishockey soll Söderholm arbeiten.
An Marco Sturm wurde immer gerühmt, dass er blendende Kontakte nach Amerika unterhält und jeder General Manager rangeht, wenn er anruft. Welches Standing hat Söderholm? Im März werden er und Schaidnagel auf Nordamerika-Reise gehen, die deutschen Spieler in NHL (auch den vertragslosen Dennis Seidenberg), AHL und College-Ligen besuchen. Es soll nicht nur die Frage „Kommst du zur WM kommen?“ besprochen werden, sondern „übers normale Business hinausgehen“ (Schaidnagel).