Hoch geflogen, tief gefallen

von Redaktion

Skisprung-Legende Matti Nykänen stirbt mit nur 55 Jahren

VON ARMIN GIBIS

München – Matti Nykänen. Das klang einst wie eine Zauberformel für den scheinbar schwerelosen, perfekten Flug. Matti Nykänen. Das war mehr als nur ein großartiger Skispringer. Er war der Inbegriff seiner Sportart. Und zugleich fliegende Primadonna und finnischer Nationalheld. Es gab wohl keinen schillernderen Skispringer als den Mann aus Jyväskylä. Aber auch keinen der tiefer fiel. Nykänens Leben nach der Sportkarriere liest sich wie eine kolossale Skandalgeschichte. Nicht von ungefähr gab er seiner 2003 erschienenen Biografie den Titel: „Grüße aus der Hölle.“ Gestern vermeldeten die Nachrichtenagenturen: „Skisprung-Ikone Nykänen ist tot.“ Er starb mit 55 Jahren.

Die Fans werden Nykänen vor allem als einzigartigen Skispringer in Erinnerung behalten. Seine Bilanz: Vier Olympiasiege, sieben WM-Titel, 46 Weltcupsiege, er gewann vier Mal den Gesamtweltcup, zwei Mal die Vierschanzen-Tournee. Seine Erfolge machten ihn weltberühmt. Und zugleich waren sie wohl der Anfang vom so tristen Ende. „Ich stand viele Jahre im Mittelpunkt, alle haben sich um mich gerissen. Ich hatte es satt, es war zu viel. Ich war unglücklich und habe angefangen, in mir drinnen eine Mauer hochzuziehen“, beschrieb er sein Leben als Star.

Nykänen begann nach seiner Karriere, exzessiv zu trinken. Sein Leben geriet außer Kontrolle. Er wurde in Prügeleien verwickelt, flüchtete sich in fünf Ehen. Nykänen, den Finanzprobleme drückten, jobbte als Sänger, Kellner in einer Nachtbar, als Stripper. Für eineinhalb Jahre nahm er 1996 den Namen seiner dritten Frau an, hieß vorübergehend Matti Paanala. Seine Goldmedaillen hatte er zwischenzeitlich versetzt. Erst durch eine Spendenaktion wurden sie für das Olympische Museum in Helsinki zurückgekauft.

Anfang 2003 landete Nykänen in Untersuchungshaft. Er hatte im Februar seine vierte Frau, Mervi Tapola, mit dem Messer verletzt. Einen Monat später kam es zur Scheidung, im Juni verlobten sich die beiden wieder, um dann im Juli die endgültige Trennung bekannt zu geben. Sein Eheleben ist auch in Nykänens Biografie auf drastische Art dokumentiert. Ein Foto zeigt Mervi mit grün und blau geschlagenem Auge, dick geschwollener Lippe, verschrammten Unterarmen. Schöne Grüße aus der Hölle.

2005 ging es weiter auf der schiefen Bahn. Im Alkoholrausch stach Nykänen einen Freund nieder, verletzte ihn schwer. Dafür gab es 26 Monate Haft. Im gleichen Jahr erlitt er einen Herzinfarkt. 2009 fügte er erneut seiner Frau Schnittwunden zu, Nykänen wurde zu 16 Monaten verurteilt. „Die Hölle ist nicht so schlimm, wie es mein Leben jahrelang war“, erklärte er 2012 in einem Interview.

Nun also ist Matti Nykänen tot. Vor einem Jahr soll er an Diabetes erkrankt sein, eine Todesursache wurde aber bislang nicht genannt. Nahe liegt der Verdacht, dass sie mit seinem demolierten und traurigen Leben zu tun hat.

Artikel 25 von 37