Im Flieger nach Köln las Uli Hoeneß Zeitung. Es war jenes Blatt, das er bei der unvergesslichen Pressekonferenz im Oktober mit besonderer Leidenschaft attackiert hatte. Neben ihm saß Karl-Heinz Rummenigge und studierte sein Handy. Vielleicht las er jene E-Mails, die er angeblich nicht mehr schreibt, wie er jüngst verriet, und die neuerdings angeblich von Kurierdiensten, Brieftauben und berittenen Boten transportiert werden.
Unterhaltsam ist es beim FC Bayern immer, auch und gerade in angespannten Zeiten. Mal produziert man krachende Blockbuster, mal feinen Stoff mit leiser Ironie, der hohe Erlebniswert gehört zum Markenkern. Ein bisschen mehr Langeweile aber käme den Bossen gerade sehr gelegen. 10, 20 Punkte Vorsprung wie in den letzten Jahren hätten den Vorteil, sich in aller Stille sammeln zu können und die Kräfte zu bündeln. Bevor es wirklich aufregend wird.
Ruhig ist es in München nur zu Saisonbeginn gewesen. Ständig hat man das Gefühl, es braue sich etwas zusammen, auch jetzt wieder. Der Versuch, die Niederlage in Leverkusen klein zu reden („nicht viel passiert“), ist so durchsichtig wie untauglich. Wenn die Bayern Glück haben und vieles passt, bestehen sie im DFB-Pokal in Berlin, vielleicht auch demnächst in der Champions League gegen Liverpool. Gewonnen ist dann aber noch nichts. Verlieren können sie hingegen eine Menge und das schon in naher Zukunft.
Zündstoff gibt es im Übermaß: Die bescheidene Punktausbeute, die Sprunghaftigkeit der Mannschaft, ihre mangelnde taktische Folgsamkeit, der enttäuschende Verlauf der Transferperiode. Jeder einzelne Punkt würde ausreichen, um einen erfolgsverwöhnten Club wie die Bayern zum Nachdenken zu bewegen. In der Kombination aber ergibt sich eine hochexplosive Mischung.
In der Hinrunde, fast genau um diese Zeit, hat man gesehen, wie schnell ein scheinbar stabiles Gebilde ins Kippen geraten kann. Die Bayern sind gewarnt. Das waren sie aber schon oft in dieser Saison. Zuletzt vor der Reise nach Leverkusen.
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