München – Fürsorglich geleitete Präsident Robert Reisinger das „Sechzgerl“ in den Plexiglastunnel des Grünwalder Stadions. Das Maskottchen der Löwen war nicht lange gefragt nach einem Spiel, in dem für die Hausherren so ziemlich alles schief gelaufen war: Früher Rückstand, die schwere Verletzung von Quirin Moll, Aaron Berzels Platzverweis fünf Minuten später (57.), dann zwar gute Moral, die zum Ausgleich führte, kurz vor Schluss aber der Knockout (1:2) nach einer weiteren Schläfrigkeit gegen den Osnabrücker Doppeltorschützen Benjamin Girth.
Während die Löwen also schnell die Manege räumten, hatten es die Gäste kein bisschen eilig. Spieler und Betreuer jubelten auf dem Rasen, der Trainer Daniel Thioune gab den ausgiebigen Rufen des VfL-Anhangs nach und ließ sich kurz feiern. Szenen wie man sie kennt, wenn ein Team dicht vor dem Aufstieg steht. Ganz so weit ist es zwar noch nicht beim souveränen Tabellenführer, doch nach dem 22. Spieltag lagen Himmelhoch jauchend und Zu-Tode-betrübt nur einen Einwurf weit nebeneinander.
Der VfL: seit mittelweile 15 Spielen unbesiegt, ein homogenes Team, spielerisch reif, mit starken Individualisten (Girth, Renneke, Ouahim). Die Löwen nach der alles in allem verdienten 1:2 (0:1)-Pleite: sportlich in der Krise – und emotional im Keller. „Die Pleite ist bitter“, haderte Torschütze und Kapitän Sascha Mölders, während Trainer Daniel Bierofka vor allem an Anführer Moll dachte, für den die Saison nach einem unglücklichen Pressschlag gelaufen sein dürfte. Ein Innenbandriss war direkt nach dem Spiel befürchtet worden. Gestern dann die niederschmetternde Nachricht: Kreuzbandriss. „Das ist für uns alle brutal“, sagte Bierofka gegenüber unserer Zeitung, nachdem die niederschmetternde Diagnose öffentlich war: „Es tut mir wahnsinnig weh für ihn, aber auch für uns. Quirin ist auch vom charakterlichen Profil schwer zu ersetzen. Jetzt haben wir fast wieder die Mannschaft vom letzten Jahr, aber ich vertraue den Jungs.“
Obsolet ist somit die Achse, die sich die Löwen im Sommer unter größter finanzieller Mühe (und den letzten, vom Präsidium akzeptierten Ismaik-Genussscheinen) zusammengekauft hatten. Adriano Grimaldi lief trotz Verletzung zum KFC Uerdingen über, dem nächsten Löwen-Gegner. Moll dürfte frühestens zur Sommervorbereitung wieder fit werden. Bleibt Stefan Lex, der wie immer eifrig bemüht war, mit seinen Dribblings aber auch nichts ausrichten konnte.
Ansatzweise Durchschlagskraft hatten die Löwen nur Mitte der zweiten Halbzeit, als sich Mölders nach Berzels mit Rot bestrafter Notbremse (Bierofka: „Relativ selbst verschuldet“) mit bewährter Bolzplatzmentalität ins ungleiche Duell warf – und in Prince Osei Owusu einen Sturmpartner erhielt, der zumindest sein Potenzial andeutete (s. Text unten). Auf diese 20 Minuten konzentrierte sich Bierofka dann auch bei seiner Bewertung. „Wir haben sehr viel Herz und Leidenschaft gezeigt“, sagte er: „Bitter ist, dass wir das 1:2 durch einen Standard bekommen.“ Vorbei die Zeiten, als 1860 in dieser Disziplin noch führend war. Der angehende Fußballlehrer weiß, dass er die Primärtugend seines Teams wieder mehr zur Geltung bringen muss, damit es nicht noch eng wird im Kampf um den Ligaverbleib. Er sagt so tapfer wie trotzig: „Wir müssen jetzt den Mund abwischen und nach Uerdingen fahren, um dort drei Punkte zu holen.“
Das Duell mit dem Mitaufsteiger dürfte am Samstag zum Krisengipfel werden, doch auch der Sportchef bemüht sich um Optimismus, auf den berühmten Jetzt-erst-recht-Effekt setzend. „Wir wünschen Quirin einen komplikationsfreien Heilungsverlauf“, sagte Günther Gorenzel: „Es geht jetzt darum, den schmerzlichen Ausfall als Team zu kompensieren und noch enger zusammenzurücken.“ Bierofkas Rat: „Stahlhelm aufsetzen und durchbeißen.“ Angesichts des geschlossenen Transferfensters wird den Löwen nicht viel anderes übrig bleiben.
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