Unterhaching – Zu Beginn der neuen Saison konnte man schon den Eindruck gewinnen, Stefan Chrtiansky neige zum Zweck-Optimismus. „Mehr Power im Angriff“ hatte der Trainer von Volleyball-Bundesligist Hypo Tirol Alpenvolleys Haching gegenüber der vorangegangenen Spielzeit versprochen. Doch in den ersten Partien zeigten von den Neuzugängen nur die Außenangreifer Pawel Halaba und Hugo de Leon Durchschlagskraft. Die Diagonalspieler Thomas Hodges und Kirill Klets, deren Kernaufgabe in der Überwindung des gegnerischen Blocks besteht, steuerten hingegen kaum Punkte zu den anfänglichen Siegen bei. Das hat sich vor dem Heimspiel am Sonntag (17 Uhr) in Unterhaching gegen den Tabellenzweiten und deutschen Rekordmeister VfB Friedrichshafen freilich grundlegend geändert. Vor allem der stetig zunehmenden Angriffswucht von Klets haben die nach wie vor unbesiegten Alpenvolleys Platz eins zu verdanken.
Dabei wäre der fast gar nicht beim Kooperationsprojekt aus Innsbruck und Unterhaching gelandet. „Eigentlich wollte ich ja nie wieder einen Russen haben“, hatte Manager Hannes Kronthaler nach dessen Verpflichtung zugegeben. Der Grund: Klets-Landsmann Stansilaw Maslijew war in Diensten der Tiroler vor zwei Jahren des Dopings überführt worden. Doch Kronthaler disponierte um, denn: „Kirill hat uns überzeugt.“
Zunächst hielt der 20-Jährige aber eben nicht, was er unter anderem als Top-Scorer der bulgarischen Liga versprochen hatte Er brachte kaum Angriffe durch, erhielt allerdings auch wenig Gelegenheit dazu, weil ihn Regisseur Danilo Gelinski in den ersten Partien kaum mit Pässen fütterte. „Der Zuspieler sieht vielleicht im Training, dass er ihm nicht ganz vertrauen kann“, vermutete Kronthaler damals.
Der Durchbruch gelang dem Russen dann im fünften Liga-Spiel: Beim 3:1 in Giesen war er punktbester Angreifer, erhielt die MVP-Medaille als wertvollster Spieler. „Das war für ihn sehr wichtig“, sagte Kronthaler da schon, gab aber auch zu bedenken: „Gegen Giesen ist es etwas anderes als gegen Friedrichshafen und Berlin.“ Alpenvolleys-Sportdirektor Mihai Paduretu äußerte sich zu jenem Zeitpunkt ebenfalls noch zurückhaltend: „Die bulgarische Liga, in der er vergangene Saison gespielt hat, ist wirklich schwach. Es kann ein Jahr dauern, bis er der Spieler ist, der Friedrichshafen die Bälle um die Ohren haut.“
Doch seither hat Klets angedeutet, dass es schon am Sonntag so weit sein könnte. Bei den klaren Siegen gegen Meister Berlin, in Novi Sad beim Europacup-Rückspiel und in Herrsching wiederholte er das Kunststück von Giesen. „Wir hoffen, dass er auch gegen Friedrichshafen wieder zweistellig punktet“, korrigiert Paduretu inzwischen seine einstige Einschätzung. Und Kronthaler ergänzt: „Kirill hat jetzt das Selbstvertrauen, keine Angst mehr, ist sehr fokussiert und inzwischen gut integriert.“ Dadurch sei das ganze Team schwerer auszurechnen, so der Manager: „Unser Zuspieler kann jetzt auf die Tagesverfassung aller Spieler eingehen.“
Das Hauptverdienst für Klets’ Formanstieg spricht Kronthaler übrigens dem Optimisten Chrtiansky zu: „Er hat ihm das Vertrauen gegeben, ihn spielen lassen, auch wenn er nicht gut war. Das ist wichtig für einen jungen Mann.“ Zusätzlich leistungsfördernd könnte sich nun die Familienzusammenführung auswirken: Bislang hat Klets seine zweieinhalb Monate alte Tochter nur bei einem dreitägigen Heimatbesuch in Nowosibirsk gesehen. Am Dienstag haben Freundin und Kind endlich ein Visum erhalten, in ein paar Tagen kommen sie für drei Monate nach Innsbruck.
Hannes Kronthaler: „Eigentlich wollte ich nie wieder einen Russen haben“
Freundin und Kind bekommen endlich ein Visum