München – Es gibt Programmpunkte, die gehören untrennbar zu jedem Auswärtsspiel des FC Bayern in der Champions League. Die Hymne vor dem Anpfiff und das Bankett zu später Stunde, der Verweis auf die UEFA-Fünfjahreswertung und das kurze Stelldichein am Münchner Flughafen. Und dort, im Mittelpunkt des Interesses: Karl-Heinz Rummenigge.
Der gestrige Aufbruch der Bayern zum letzten Vorrundenspiel bei Ajax Amsterdam begann anders als in den vergangenen Jahren. Vor den Mikrophonen stellte sich Hasan Salihamidzic auf. Der Sportdirektor kann, seit er im Amt ist, immer wieder lesen, wie wenig er im Verein zu sagen hat. Besonders fiel er dadurch auf, dass ihm Rummenigge auf der Jahrhundert-Pressekonferenz der Bayern das Wort abschnitt wie einem Praktikanten. Und fast noch krasser dadurch, dass er in den folgenden Wochen, als es im Club lichterloh brannte, kaum noch zu sehen und zu hören war.
Das Bild, das da entstand, gefiel im Club niemandem. „Ich lese ja auch Zeitung“, sagte Rummenigge gestern, „und lese da, er soll sich profilieren.“ Deswegen hat er ihm nun das Rederecht am Flughafen übertragen. Der Vorstandsvorsitzende beteuerte, er könne Salihamidzic „ein gutes Zeugnis ausstellen, ich sehe ihn ja jeden Tag im Büro. Er ist nicht nur fleißig, sondern treibt die Dinge klug voran.“ Aber letztlich zählen für die Öffentlichkeit nur Taten. Und markige Worte.
Vor diesem Hintergrund ist das Interview zu verstehen, das der Bosnier gerade der „Welt am Sonntag“ gegeben hat und in dem er die These aufstellte, er habe „in meiner bisherigen Arbeit wahrscheinlich mehr bewegt als meine Vorgänger in ihrer gesamten Amtszeit“. In der Branche wurde der Beitrag als krampfhafter Versuch gewertet, die eigenen Konturen zu schärfen. Salihamidzic selbst sagte gestern, er habe „das Bewusstsein wecken wollen, dass die Leistung eines Managers nicht nur nach der Anzahl der Worte nach außen bemessen werden soll, sondern daran, wie er nach innen arbeitet“. Vertragsverhandlungen, Verpflichtungen von Spielern und Trainern, Verbesserung interner Strukturen.
Was den letzten Punkt betrifft, hat er sich immerhin dadurch Verdienste erworben, dass er im Kabinentrakt ein Rauchverbot erlassen hat (was in Carlo Ancelottis Trainerstab auf wenig Begeisterung stieß). Ansonsten stehen wesentliche Leistungsnachweise noch aus. Die Transferperiode im Januar wird bei der Bewertung seiner Arbeit eine wichtige Rolle spielen.
Da trifft es sich gut, dass man heute zu Gast in Amsterdam ist, wo nicht nur „die beste Ajax-Mannschaft der letzten zehn Jahre“ (Rummenigge) wartet, sondern mit Frenkie de Jong und Matthijs de Ligt auch zwei Spieler, an denen neben vielen anderen Clubs auch der FC Bayern Interesse zeigt. So deutlich sagt das zwar keiner, aber Rummenigge räumte zumindest ein, dass man „den einen oder anderen von Ajax im Blickfeld“ habe, während Salihamidzic sich lediglich mit der Einschätzung aus der Deckung traut, Mittelfeldmann de Jong und Innenverteidiger de Ligt seien „gute Spieler“. Allzu hohe Erwartungen will er nicht schüren. Er weiß: Wechseln die beiden am Ende lieber nach Spanien oder zu einem der zahlungskräftigen englischen Clubs (oder gar nicht), wird es doch wieder ihm angekreidet.
Für eine Vorrundenpartie, vor der beide Teilnehmer bereits fürs Achtelfinale qualifiziert sind, steht einiges auf dem Spiel. Einen Punkt benötigen die Bayern noch, um als Gruppensieger in die Auslosung am kommenden Montag zu gehen. Arjen Robben trat die Reise gestern wegen anhaltender Knieprobleme nicht an, anders als Franck Ribery, sein Senioren-Pendant auf dem linken Flügel. Salihamidzic freut sich, „dass Franck aktuell so gut spielt“, dennoch werden sich die Wege im Sommer aller Voraussicht nach trennen: „Es ist ein Jahr der Veränderungen.“ Auf allen Ebenen.