Waldgeist als Favorit ins Millionen-Rennen

von Redaktion

Ammerlander Galopphengst startet im Turf-Mekka Hongkong – 13,2 Milliarden Wettumsatz

VON MICHAEL LUXENBURGER

Hongkong – Es lohnt sich, dieses Rennen zu gewinnen. Umgerechnet 2,25 Millionen Euro beträgt das Preisgeld in der Hong Kong Vase, der Sieger bekommt etwas mehr als eine Million. Und er könnte aus dem Umland von München kommen: Waldgeist, ein vierjähriger Galopperhengst, tritt am Sonntag bei den Longines Hong Kong International Races auf der Rennbahn Sha Tin mit guten Chancen an. Das erfolgreiche Rennpferd, das bisher rund 1,4 Millionen Euro verdient hat, gehört zu 75 Prozent dem am Ostufer des Starnberger Sees gelegenen Gestüt Ammerland. Dessen Besitzer ist Dietrich von Boetticher, Präsident des Münchener Rennvereins.

Zuletzt ist Waldgeist, der in Chantilly von Altmeister Andre Fabre trainiert wird, erfolglos beim Breeders Cup in den USA gelaufen. Zuvor hatte er im Prix de l’Arc de Triomphe in Paris nach schlechtem Rennverlauf Platz vier erreicht. „Ich war doch enttäuscht von ihm in Amerika, wo er etwas platt lief und nicht wie üblich beschleunigte. Aber jetzt hat er sich wirklich gut erholt. Er wird den schnellen Boden und die Bahn in Sha Tin lieben“, sagt Fabre zu den Chancen seines Schützlings.

Ähnlich sehen es auch die Buchmacher, die ihn zum 4/1-Favoriten gemacht haben. Von Boetticher ist ebenfalls optimistisch: „Das Rennen in den USA können wir streichen. Der Hengst ist mit dem sehr weichen Boden und der engen Bahn nicht zurechtgekommen. In Sha Tin sieht das ganz anders aus. Von der Qualität her muss Waldgeist das können. Natürlich wünschen wir uns den Sieg. Wir sind da hingefahren, um zu gewinnen.“

Nach der gestrigen Auslosung der Startnummern bei der feierlichen Barrier Draw in Sha Tin stehen die Chancen gut. Denn Waldgeist wird vom ausgezeichneten Startplatz vier ins Rennen gehen. Und im Training diese Woche, als er hier früh morgens auf der Allwetterbahn seine Runden drehte, machte er einen entspannten Eindruck.

Allerdings, so sagen hier die Fachleute übereinstimmend, ist das Rennen so gut wie noch nie besetzt. Etwa 10,6 Millionen Euro werden am Sonntag auf der Rennbahn in den New Territories nördlich von Hongkong alleine in den vier Hauptrennen (Vase, Sprint, Mile und Cup) ausgeschüttet. Damit könnte man in München-Riem 20 Jahre lang Rennen dotieren. Umgerechnet 145 Millionen Euro betrug 2017 der Wettumsatz an diesem Tag. Wenn es in Riem 145 000 Euro sind, ist man glücklich.

Aber normal ist nach mitteleuropäischen Maßstäben eh nichts in Hongkong. Die Skyline aus Hotels und Firmengebäuden, die wie Kathedralen der Wirtschaftskraft aussehen, die bis zu 80 Stockwerke hohen Wohnbatterien, die teils wie riesige Bleistifte in den Himmel ragen, die unvorstellbar gammeligen Garküchen direkt an den Gehsteigen der Straßen und die abenteuerlichen Märkte, bei deren Betreten deutsche Lebensmittelkontrolleure in sofortige Schnappatmung verfallen würden – da kommt man aus dem Staunen nicht heraus.

So ist es auch keine Überraschung, dass Pferderennen in Hongkong ebenfalls wie vom anderen Stern anmuten. Saison für Saison sieht die Bilanz besser aus, zuletzt waren es alleine mit Pferdewetten rund 124,3 Milliarden Hong Kong Dollar Umsatz, das sind etwa 13,2 Milliarden Euro, ein Plus von 5,8 Prozent. Dass es so gut läuft, ist nicht zuletzt das Verdienst des deutschen CEO des Hong Kong Jockey Club (HKJC), Winfried Engelbrecht-Bresges. Der 62-Jährige setzte schon früh auf das Internet und ließ bereits zu einem Zeitpunkt Apps für das Wettgeschäft entwickeln, zu dem man andernorts im Rennsport noch gar nicht wusste, was das überhaupt ist. Speziell in Deutschland wurde da alles verschlafen.

Mittlerweile bietet der HKJC nicht nur Zerstreuung durch Pferde- und Fußballwetten (auch da hat er mit etwa 12 Milliarden Jahresumsatz das Monopol, Buchmacher gibt es nicht), sondern er ist auch der Garant für das Funktionieren des Sozialgefüges der Acht-Millionen-Stadt. Da der Jockey Club eine Non Profit Organisation ist, steckt er Unsummen in Charity Projekte in Hongkong. Im vergangenen Jahr waren das 523 Millionen Euro. Er baut und unterhält Universitäten, Krankenhäuser, Kindergärten, Museen oder Altenheime, finanziert Schulen und Kulturprojekte.

Nebenbei ist der HKJC auch mit zuletzt rund 2,6 Milliarden Euro der größte Steuerzahler von Hongkong. Rund 1,1 Milliarden Euro betragen die operativen Kosten pro Jahr. Unter anderem sind etwa 20 000 Arbeitskräfte zu bezahlen. Und dann hat der HKJC im Sommer im südchinesischen Conghua ein Trainingszentrum fertiggestellt, das mit rund 450 Millionen Euro auch nicht ganz billig war.

Der Rennsport in Hongkong spielt sich auf zwei Bahnen ab, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Am Mittwoch war Happy Valley dran, sozusagen die Feierbanane. Die Rennbahn ist zentral nahe der schicken Einkaufsmeile Causeway Bay gelegen und von Wolkenkratzern geradezu umzingelt. Hier ist jeden Mittwochabend Party, die Besucher sind jung und feierlustig. Höhepunkt des Jahres ist die inoffizielle Jockey-WM, traditionell die Ouvertüre für die Longines Hong Kong International Races am Sonntag.

Bei angenehmen 24 Grad holte sich der aktuelle britische Jockey-Champion Silvestre de Sousa vor 30 000 Besuchern Titel und 55 000-Euro-Scheck. Zweiter wurde der junge Ire Colin Keane vor Vincent Ho Chak-yiu, der mit Platz drei die Ehre der Hausherren rettete. Der Wettumsatz erreichte mit 143 Millionen Euro eine neue Höchstmarke für Happy Valley.

Noch höhere Umsätze bringt die Bahn in Sha Tin. Dort ist auch das Niveau der Rennen höher. Sie bietet bis zu 95 000 Besuchern Platz, hier steht eindeutig der Sport im Vordergrund Und hier wird Waldgeist am Sonntag unter seinem ständigen Reiter Pierre-Charles Boudot versuchen, es seiner Stallgefährtin Borgia gleich zu tun und zudem seinen Wert als Zuchthengst zu steigern. Auch sie lief 1999 in den Ammerlander Farben, wurde von Andre Fabre trainiert und war zuletzt erfolglos beim Breeders Cup gestartet. Bevor sie die Hong Kong Vase gewann.

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