Was ist nur in den Fußballfan gefahren? So aufmüpfig wie jetzt hat man ihn selten erlebt. Vor allem nicht beim FC Bayern, wo sogar der verurteilte Steuersünder Uli Hoeneß einst mit tosendem Applaus in die Haft verabschiedet worden war („das war’s noch nicht“). Und jetzt stellt sich glatt so ein Schlaumeier hin und wagt, dem Hoeneß krasses Fehlverhalten bei aktuellen Problemen des Vereins vorzuwerfen. Natürlich kann das nicht die repräsentative Meinung der Mitglieder sein, natürlich muss das von außen, es gibt so viele Bayernhasser, gesteuert sein. Ein gezielter Angriff auf die persönliche Integrität und damit die Beschädigung der Person Uli Hoeneß, so die Vermutung des Aufsichtsratsmitglieds Edmund Stoiber.
Was ist nur in den Fußballfan gefahren? Auch beim DFB und bei der DFL muss man sich diese Frage stellen. War doch bisher immer so handsam, der Fan, so geduldig, so dankbar, dass man ihm diese emotionalen Momente ermöglichte, in tollen Stadien, die nebenbei mehr und mehr zu Treffpunkten für VIP’s aus Wirtschaft und Politik mutierten. Die bringen das Geld, nicht der Besucher in der Kurve. Und nun begehrt er auf, gegen Montagsspiele, gegen ausufernden Kommerz, gegen den modernen Fußball und gegen die, die ihn verraten und meistbietend verhökern. Fehlt nur noch, dass er sich die gelbe Weste überzieht und auf die Straße rennt.
Nun könnte man sagen, auf die paar Euro, die der gewöhnliche Fan ins Stadion trägt, lässt sich inzwischen gut und gerne verzichten (und damit auf dessen Meinung). Gerade für die großen Vereine, die international agieren, sind das Peanuts in Relation zu dem, was fette Fernsehverträge, millionenschwere Investments von Global Playern, Dosenfabrikanten und steinreichen Scheichs bringen. Was also soll’s, wenn die Fankurve protestiert und mal 45 Minuten schweigt? Entscheidend ist doch, dass die wirklich wichtigen Geldgeber in Katar und Saudi-Arabien den Fußball weiter so toll finden, dass sie mehr und mehr Vereine mit ihren Petrodollars vereinnahmen. Gut fürs angekratzte Image ihrer Staaten, aber gut für den Fußball?
Mag schon sein, dass gewisse Fangruppierungen ihre Macht und ihren Einfluss ein klein wenig überschätzen, sich selbst und ihre Anliegen zu wichtig nehmen. Unterschätzen aber sollte man sie auch nicht. So ein „Geisterspiel“ ohne Zuschauer kann, wie schon ein paar Mal demonstriert, ziemlich öde sein, für Spieler und TV-Publikum, da ist bei den Bayern in jedem Training mehr Stimmung (so es öffentlich ist). Würde das zum Normalzustand, würde wohl auch das Fernsehen die Lust daran sukzessive verlieren. Und dann könnten nicht mal mehr die Araber helfen.
Wasser auf die Mühlen der Fans dürfte eine Studie sein. Wissenschaftlich belegt wird durch sie, dass sich Leistung und Einsatzbereitschaft von Spielern um bis zu acht Prozent steigern lassen, wenn sie von Fans unterstützt werden. Die Sache mit dem zwölften Mann ist also keine ganz leere Floskel. Aber ein zweischneidiges Schwert. Hat dann der Fan als zwölfter Mann, wie die elf Spieler auf dem Platz, keine Kritik, zumindest keine öffentliche, am Arbeitgeber zu äußern?
Dann müsste das ziemlich mutige Vereinsmitglied Johannes Bachmayr sofort suspendiert werden. Wird wahrscheinlich sowieso passieren. Nur weil nun das Fest des Friedens naht, will Hoeneß sich Zeit bis nach Weihnachten geben, ehe er kundtut, wie er für sich Kritik und Protest bei der Jahreshauptversammlung einordnet. Dass es ein gezielter Angriff von außen war, weiß er ja schon. Und das muss er sich nun wirklich nicht bieten lassen. Da kann er gnadenlos werden. Frag‘ nach bei Paul Breitner. Und der ist nicht einfaches Mitglied, sondern Ex-Kollege und Vereinsikone.
Fußballvereine verkaufen sich an Global Player und Scheichs. Unterschätzen sie den Wert der Fans?