Raus aus der Image-Falle

von Redaktion

Sind in der Rhein-Ruhr-Region „gesunde“ Spiele möglich? Ja, sagt Olympia-Visionär Mronz

VON REINHARD HÜBNER

München – Dass Michael Mronz schwer begeistert ist, spürt man bei jedem einzelnen seiner Sätze, mit denen er das Konzept für wirklich nachhaltige, bürgernahe und relativ kostenneutrale Olympische Spiele 2032 in der Rhein-Ruhr-Region anpreist. Aber hatte nicht auch Hamburg ein tolles Konzept, München, Berlin, Leipzig? Trotzdem sind alle deutschen Anläufe in diesem Jahrtausend gescheitert, München und Hamburg am Votum ihrer Bürger. Und das lag nun nicht am Konzept. Olympia, so das Thema des Spitzensport Summits der Deutschen Olympischen Gesellschaft in München, spaltet die Nation. Fast die Hälfte hätte die Spiele gerne wieder mal in Deutschland, eine knappe Mehrheit lehnt das ab. Das aber sei, da ist sich Marion Schöne sicher, „kein Votum gegen den Sport“, so die Geschäftsführerin des Münchner Olympiaparks, sondern gegen das IOC mit seinen Knebelverträgen.

Die eigentliche Spaltung spielt sich wohl im Kopf ab. Dass die olympische Idee an sich eine grandiose Sache ist, daran zweifelt kaum jemand. Und ein wenig schizophren kann man schon finden, dass viele Menschen, die Olympia in München nicht wollten, begeistert die Wettkämpfe in Pyeongchang verfolgt haben. Von „großartigen Einschaltquoten“ berichtet das frühere Ski-Ass Tobias Barnerssoi als Moderator des Abends. „Wenn die Spiele mal laufen, ist alle Kritik vergessen“, so sah es auch Eike Emrich.

Der Professor für Sportökonomie hatte in seinem Impulsreferat diese Diskrepanz in den Köpfen wissenschaftlich untermauert. Die Nachfrage nach deutschen Medaillen sei bei 51 Prozent wichtig oder sehr wichtig, nur für zehn Prozent völlig unwichtig. Doch je höher das Bewusstsein für Probleme wie Kommerzialisierung, Korruption oder Doping ist, umso unwichtiger werden Medaillen. Eine große Kluft hat Emrich ausgemacht, was auch daran liege, dass das IOC „den Kredit einer 2000-jährigen Geschichte verspielt“ habe: „Der Athlet ist nur noch Mittel zum Zweck“, für Rieseneinnahmen des IOC. Vermisst werde vor allem Nachhaltigkeit, Transparenz, Umweltkonzept und ein entschiedener Kampf gegen Doping.

Dabei sei Olympia eine „einzigartige Marke“, stehe für Werte wie Frieden, Respekt, Anerkennung, Glaubwürdigkeit, Einhalten von Regeln. Gerade Letzteres aber bringt das IOC in die Zwickmühle. Kann, wer Höchstleistung verkaufen will, mit rigoroser Anti-Doping-Politik einen Rückgang der Leistungen akzeptieren? „Ein sehr labiles Gleichgewicht“, fürchtet Emrich. Die Reputation des IOC gehe auf diese Weise immer mehr verloren.

Emrich hat eine Idee, wie der Weg aus der Image-Falle aussehen könnte für das IOC. Wie wäre es, würde man die Riesengewinne der Spiele in eine Stiftung geben, die der Ausrichterstadt zugutekäme? Emrich denkt dabei keineswegs nur an Sport, auch Kunst und Kultur könnten profitieren und damit wären auch die Menschen Gewinner, die nichts mit Sport am Hut haben. „Das IOC würde nicht mehr als Heuschrecke wahrgenommen, würde an Akzeptanz gewinnen.“ Über 40 Jahre wären das weltweit 20 Stiftungen. „Olympia lebt ja auch von der Utopie, eine bessere Welt zu schaffen.“

Claudia Bokel, einstige Fechtweltmeisterin, war bis vor zwei Jahren Mitglied der IOC-Exekutive. Wie Präsident Thomas Bach auf einen solchen Vorschlag reagieren würde, wurde sie gefragt. „Gewinne weg vom Sport zu tragen, das dürfte schwierig werden. Man ist zu sehr auf Sport fokussiert.“ Ideen aber seien immer gefragt, „wir müssen uns für die Bewegung einsetzen“, gerade jetzt, da auch in Calgary 56 Prozent gegen Olympia votiert haben. „Das hat mich schockiert.“

Wäre ein Format wie das der European Championships, die im vergangenen Sommer Premiere feierten, eine Alternative? Ein Event mit weniger Gigantismus, geringeren Kosten, das recht gut angenommen wurde? Bokel glaubt nicht, dass das eine Konkurrenz sein kann: „Olympia wird nicht aussterben, daran arbeiten wir.“ Das Problem sei erkannt beim IOC, aber ob das reicht?

Ein erster, wichtiger Schritt sei mit der Agenda 2020 getan, findet Michael Mronz. Die Option, die Spiele nicht nur in einer Stadt, sondern einer Region zu veranstalten, war Anstoß für die Privatinitiative zu „Rhein Ruhr City 2032“. Einbezogen wurden 14 Kommunen in einem Radius von 63 km, 80 Prozent der Sportstätten sind bereits vorhanden, „Riesendinger, die später kein Mensch mehr braucht“, wären nicht nötig. Mronz, erfolgreicher Sport- und Eventmanager, weiß, dass die Idee nur leben kann, wenn die Bevölkerung mitzieht: „Wir wollen die Basis frühzeitig abholen, für unser Projekt begeistern.“ Spiele mit Nutzen für die Region und ihre Bewohner, das ist es, was Mronz und seinen Mitstreitern vorschwebt.

„Damit“, sagte Barnerssoi abschließend, „wäre alles umgesetzt, was von Olympischen Spielen gefordert wird.“ Vielleicht wäre das Projekt sogar eine Chance für das IOC, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

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