Tennis in Saudi-Arabien

Jenseits der Grundlinie

von Redaktion

MARC BEYER

Am Montag hat Rafael Nadal wegen eines Eingriffs am Sprunggelenk seine Teilnahme am Saisonfinale der acht besten Tennisprofis abgesagt. Der Spanier hat in diesem Jahr große Erfolge gefeiert, aber auch lange Pausen einlegen müssen, weil wieder mal der Körper nicht mitspielte. Seine Enttäuschung über den neuerlichen Rückschlag ist glaubwürdig. Gleichzeitig hat der Termin einen netten Nebeneffekt. Nadal hätte nun gute Argumente, den hochumstrittenen Schaukampf in Saudi-Arabien kurz vor Weihnachten aus dem Kalender zu streichen.

Das Thema beschäftigt die Branche schon länger. Die breite Öffentlichkeit wurde darauf aufmerksam durch Roger Federers jüngste Bemerkung, auch er habe ein Angebot erhalten, in dem Land aufzuschlagen, das wegen Menschenrechtsverletzungen schon lange am Pranger steht und wegen der Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi mehr denn je. Der Schweizer entschied sich dagegen. Er nannte dafür allerdings nicht etwa moralische Bedenken oder den grundsätzlichen Standpunkt, ein Land, dessen Herrscher ein derart gestörtes Verhältnis zur Demokratie pflegen, durch seine Anwesenheit nicht aufwerten zu wollen. Federer zieht es einfach vor, in dieser Zeit zu trainieren.

Wer, wenn nicht die Größten dieses Sports (der immerhin mal den Beinamen „der weiße Sport“ trug) sollte die Stimme erheben, um unwürdige Zustände anzuprangern und sich von Diktatoren und Unterdrückern zu distanzieren? Statt dessen flüchtet Federer sich ins Unverfängliche. Novak Djokovic wiederum, gegen den Nadal antreten sollte, glühte in einem Tweet vor Vorfreude auf den Besuch „dieses wunderschönen Landes“.

Als er das schrieb, war die Ermordung Khashoggis längst ein weltweiter Aufreger. Entweder sind dem Serben die Zustände in Saudi-Arabien also egal oder er blendet sie bewusst aus, weil das Antrittsgeld stimmt und ein Match in Dschidda logistisch so schön in die Vorbereitung auf die neue Saison passt.

Als Nadal vergangene Woche ankündigte, er werde die Situation prüfen und mit seinen Beratern „nach Lösungen suchen“, klang das nach einer Floskel, wie sie auch Sponsoren gerne wählen, wenn ihnen das Geschäft wichtiger ist als die Moral. Kein Außenstehender weiß, ob der Eingriff am Fuß nun ein willkommener Anlass ist, halbwegs unbeschadet aus einer Debatte rauszukommen, in der er nichts mehr gewinnen kann. Der Einzige, der für Aufklärung sorgen kann, ist Nadal selbst. Allzu viel sollte sich aber niemand erhoffen.

Im Tennis ist es eine wichtige Qualität, alles auszublenden, was außerhalb des Platzes geschieht. Zwischen zwei Matches aber würde man sich wünschen, wenn hochdotierte und millionenfach verehrte Weltstars einen anderen Horizont hätten. Und wenn sie auch mal einen Blick darauf werfen würden, was jenseits der Grundlinie geschieht.

marc.beyer@ovb.net

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