Shanghai – Natürlich wusste er seit einer Weile, dass ihm nur noch ein paar Punkte fehlen, um sich für das Turnier der acht Besten des Jahres zu qualifizieren. Auch wenn Tennisspieler manchmal behaupten, nicht auf Tableaus zu schauen – über die wesentlichen Dinge sind sie immer im Bilde. Aber nun ist die Sache offiziell. Mit seinem Sieg gegen den Briten Kyle Edmund (6:4, 6:4) landete Alexander Zverev nicht nur im Halbfinale des Shanghai Masters, er qualifizierte sich auch für die ATP Finals Mitte November in London.
Er hatte allen Grund, zufrieden zu sein nach seinem dritten Sieg in drei Tagen, und es geht gleich weiter mit den Zahlen. Zum fünften Mal wird er am Samstag ein Halbfinale der 1000er-Kategorie spielen, der wichtigsten Turniere unterhalb der Grand Slams. Das schaffte er 2018 in Miami, Monte Carlo, Madrid und Rom, und es gibt keinen, der eine bessere Bilanz hat.
Novak Djokovic, gegen den er am Samstag spielt, ist zum dritten Mal in einem 1000er-Halbfinale, drei haben auch Rafael Nadal und Roger Federer zu bieten. Rechnet man die Sache im einzelnen durch, dann stehen für Zverev 22 seiner insgesamt 49 Siege in diesem Jahr bei 1000er-Turnieren zu Buche, auch das ist keine alltägliche Bilanz. Bis zum Erfolg gegen Edmund teilte er sich die Führung bei den meisten Siegen mit Dominic Thiem, jetzt steht er allein an der Spitze.
Dass es in Shanghai so gut läuft, überrascht ihn selbst ein bisschen. Er ist nicht der einzige, der vom Turnier in Peking eine Erkältung mitbrachte, und vor allem im ersten Spiel bekam er kaum Luft. Ohne allzu großes Vergnügen trank er Zwiebelsaft und Tee und versuchte, die Atemwege mit Kräutern frei zu bekommen. Er ist noch immer nicht ganz in Ordnung, sagt er, aber es gehe ihm schon deutlich besser.
Gegen Edmund sammelte er die letzten fehlenden Punkte für die ATP Finals. Zverev ist nach Nadal, Federer, Djokovic und Juan Martin del Potro der fünfte Mann für das Turnier der besten Acht, und er weiß seit seiner Premiere 2017, was es bedeutet, dabei zu sein. Boris Becker war in den Neunzigern der letzte Deutsche, der sich in aufeinander folgenden Jahren qualifizierte.
Aber erst mal geht es mit dem Halbfinale gegen Djokovic weiter, dem überragenden Spieler der zweiten Hälfte des Jahres. Djokovics letzte Niederlage bei einem Grand-Slam- oder ATP-Turnier liegt zwei Monate zurück. Und er ist auf einer Mission; in Schanghai erwähnte er bei jeder Gelegenheit, wie wichtig es ihm sei, am Ende dieses Jahres wieder an der Spitze der Weltrangliste zu landen.
Kurioserweise behauptet er, die letzte und bisher einzige Begegnung mit Zverev liege mehr als zwei Jahre zurück – dabei sind es nur 17 Monate. Zverev gewann im Mai 2017 das Finale des Turniers von Rom, es war damals sein erster Titel bei einem 1000er-Turnier. Aber ob ein Jahr oder zwei, mit der Erinnerung an Rom werden die beiden auch deshalb nicht viel anfangen können, weil im Foro Italico auf Sand und in Shanghai auf extrem schnellem Hartplatz gespielt wird. „Schönes Tennis zu spielen ist hier sehr, sehr schwer“, findet Zverev. Aber solange er wie in dieser Woche in Schanghai bisher jedes Mal den letzten Punkt macht, kommt es darauf nicht an.