Liegt es an der Einstellung?

von Redaktion

Zweite Auswärtsklatsche, negatives Torverhältnis – eine Analyse der Lage beim EHC München

VON GÜNTER KLEIN

München – Zehn Spiele hat der EHC München hinter sich in der neuen Saison der Deutschen Eishockey-Liga. Zehn Spiele sind kein Nichts mehr, sondern fast ein Fünftel der Hauptrunde, in der die Playoff-Plätze vergeben werden. Zehn Spiele lassen also eine erste Bilanz zu. Für den EHC München fällt sie nicht positiv aus. Vor allem beherrscht der jüngste Eindruck alles: 2:6-Niederlage in Bremerhaven, ein zweites Drittel, in dem nur dreimal aufs Tor der Pinguins (vor der Partie Tabellenzwölfter) geschossen wurde. Was ist los mit dem Meister der Jahre 2016, 17, 18, der am Sonntag (16.30 Uhr) die Düsseldorfer EG erwartet, die deutlich besser in die Saison gekommen ist?

Personal: Wie Don Jackson, der Trainer des EHC, immer sagt: „Alles in München ist first class.“ Der Kader der Münchner ist der am tiefsten besetzte in der DEL. Man möchte meinen, jeder Ausfall eines Leistungsträgers könne aufgefangen werden – doch dem ist nicht so. Drei Stürmer gehen dem EHC langfristig ab – jeder war Bestandteil einer eigenen Sturmreihe, die nun nicht mehr funktioniert.

Michael Wolf (fehlt bis Jahresende) ist Kapitän, Leitspieler, ein Monster im Abschluss, ein Konterspezialist in Unter-, ein Dirigent im Überzahlspiel. Trevor Parkes (absent bis Mitte November) hat die massivste körperliche Präsenz vor dem Tor, für Trainer Jackson ist er „aufgrund seines Charakters und noch jungen Alters ein Mann, mit dem wir auf Jahre planen“. Mads Christensen (Comeback erst 2019) ist technisch stark, zugleich nickelig und ein verlässlicher Scorer. Ohne ihn hängen andere in der Luft.

Neuzugänge: Fraglos: Dem EHC fehlt das kreative Element, für das die Abgänger Dominik Kahun, Jon Matsumoto und Keith Aucoin standen. Haben die Zugänge das nicht auffangen können?

Nur teilweise. Bester der Neuen ist Mark Voakes, ein stilles Genie an der Scheibe, das Hirn der Offensive. John Mitchell ist neben Voakes Topscorer, hat aber die schwächste Plus-Minus-Bilanz (– 5) der gesamten Mannschaft. Parkes ist seit zwei Spielen verletzt, Justin Shugg noch unauffällig. Wie Verteidiger Andy Bodnarchuk, für den aber zumindest die +3 aus der Statistik über Tore und Gegentreffer spricht.

Ein Spezialfall ist Matt Stajan, der bis vor ein paar Monaten in der NHL spielte; mit seinen über 1000 Partien in der besten Liga der Welt wurde er für die DEL in einer Starrolle erwartet. Doch der 34-Jährige ist noch mittendrin in einem Lernprozess: Umstellung auf die größere Eisfläche, auf eine neue Rolle. Die vergangenen Jahre bei den Calgary Flames war er ein reiner Rollenspieler mit defensiven Aufgaben und überschaubarer Eiszeit gewesen. Ein Tor und zwei Assists aus zehn DEL-Spielen sind also vordergründig enttäuschend. Jackson lässt Stajan bewusst oft aufs Eis und in allen Situationen spielen, ihm geht es darum, den Routinier für die wichtige Phase der Saison in Schuss zu bringen. „Wir arbeiten am ,fitness part’“, sagt Jackson.

Einstellung: Nach dem 2:4 gegen Ingolstadt am vorigen Sonntag war Don Jackson angesäuert und erwartete eine Reaktion der Mannschaft im folgenden DEL-Spiel in Bremerhaven; dafür durften einige Stammspieler in der momentan bedeutungslosen Champions League (am Dienstag 3:2 gegen Malmö) pausieren. Bei den Fischtown Pinguins wurde Jackson bitter enttäuscht. Das erste Drittel war schlecht (Frank Mauer: „Der Gegner läuft und arbeitet mehr“), das zweite noch mieser (Kony Abeltshauser: „Wir haben komplett aufgehört, Eishockey zu spielen“). Erst im Schlussabschnitt tat der EHC mehr, „aber der Push kam zu spät“, so Verteidiger Abeltshauser.

Der EHC hat noch keinen leichten Sieg eingefahren (vier in regulärer Spielzeit, zwei nach Verlängerung) und zweimal krachend verloren: 3:8 in Iserlohn, nun 2:6 in Bremerhaven. Er hat zwei Heimspiele vergeigt und auswärts 21 Gegentore kassiert. Das Gesamttorverhältnis von 28:30 passt nicht zu den Ansprüchen. Immer wieder sieht man, wie der EHC schwere individuelle Abwehrfehler begeht, körperlich halbherzig arbeitet und das Positionsspiel aus den Fugen gerät. Abeltshauser nach dem 2:6: „Wir waren total ausgebreitet.“

Die Rechnung für diese Saison lautete: „Hier sind viele Spieler, die drei Titel geholt haben – und sie wollen den vierten. Und wir Neuzugänge, wir sind hungrig nach der ersten Meisterschaft“, so hatte es Trevor Parkes erklärt. Die Formel geht offensichtlich nicht auf.

Den rundumversorgten EHC-Spielern geht es gut. Zu gut? Bezeichnend, was sich am Tag nach dem ersten DEL-Spiel tat. Der EHC hatte an einem Freitagabend Mitte September beim vorjährigen Finalgegner Berlin 4:2 gewonnen, sollte am Samstagvormittag nach München zurückfliegen. Der Flug wurde gestrichen, man hätte mit dem Mannschaftsbus nach Hause fahren können. Doch der wurde leer nach München geschickt, für die Spieler wurde eine neue Verbindung gebucht, über Zürich.

Bei Heimspielen hat man aus der Nordkurve zuletzt auch die gelegentliche Aufforderung „Wir woll’n euch kämpfen sehen“ vernommen.

Seine beiden überzeugendsten Partien hat der EHC auswärts gespielt (4:1 in Nürnberg, höchster Saisonsieg, 5:4 n.V. in Mannheim). In Partien gegen Clubs seiner Kragenweite. Düsseldorf, das aufgerüstet hat, sollte ein Team sein, das den EHC mal wieder reizt.

Artikel 10 von 28