Keiner aus dem Bilderbuch

von Redaktion

Mark Uth soll DFB-Sturm-Krise lösen

Amsterdam – Er stand da, als würde bereits die Nationalhymne über die Stadionlautsprecher eingespielt, doch davon konnte keine Rede sein. Mark Uth bewies Haltung, als er sich vor dem Training der Nationalelf den Journalisten stellte: Rücken kerzengerade, Arme hinter dem Körper verschränkt – es fehlte eben nur die Melodie, die von Einigkeit und Recht und Freiheit handelt. Aber es war ja nur das Stadion auf dem Wurfplatz, nicht die Johan-Cruyff-Arena. Wobei: Am heutigen Samstag könnte es so weit sein. Uth ist bereit, um sich vor dem Nations League-Spiel gegen die Niederlande einzureihen.

Der Nächste, bitte: Mit seinen bereits 27 Jahren wird der Schalker ein Spätberufener, um die Krise im Sturm des DFB zu beheben. „Ich bin keiner aus dem Bilderbuch“, sagte er, das ist wohl wahr, allein das Alter zeugt ja davon, dass er einen kurvigen Weg genommen hat, bis er es zumindest mal ins Stadion am Wurfplatz geschafft hatte.

Beim 1. FC Köln wurde er einst nicht so gefördert wie gewünscht, er ging mit Anfang 20 nach Heerenveen. Bereits dort fiel er den Scouts von Joachim Löw auf. Seit 2014 steht der Mann im Notizblock des Bundestrainers, aber erst jetzt nominierte er ihn. Nils Petersen sagte ab, man brauchte einen Angreifer. Uth war selbst am meisten überrascht. Seit seinem Wechsel von Hoffenheim nach Schalke im Juli wartet er noch immer auf sein erstes Tor. „Ich würde lieber hier stehen mit fünf Kisten auf dem Konto, aber ich mache mir da keinen Kopf und freue mich“, sagte er tapfer.

Dass er jetzt ausgerechnet in den Niederlanden, wo seine Karriere erst Schwung gewonnen hat, sein Debüt feiern kann, ist eine nette Pointe. „Ich verdanke den Niederlanden sehr viel“, sagte er, in Heerenveen hatte er einen Meister des Toreschießens als Coach: Keinen Geringeren als Marco van Basten. Das ist eine stattliche Referenz, aber die kann ein Stürmer brauchen, wenn er sich unter Löw probiert. Der Verschleiß seiner Angreifer ist bemerkenswert. Als Miroslav Klose im Sommer 2014 seinen Dienst quittierte, ahnte der Bundestrainer bereits die Tragweite der Problematik. In Ermangelung passabler Erben wollte er die „9“ wieder einmal abschaffen, halbherzig versuchte er es nebenbei mit Thomas Müller, Mario Gomez, Sandro Wagner und Petersen. Timo Werner schien die Lösung, doch auch er benötigt für seine Attacken mehr Raum. Er ist ganz vorne verschenkt.

Auch Uth sieht nicht gerade wie die erste Wahl aus, er freilich gibt sich tapfer. Qualität hat er, zudem zeichnet ihn eine ungewöhnliche Bodenhaftung aus. Am Montag stand er beim Spiel seines Ex-Clubs Köln als Fan in der Kurve. Er macht das gerne, aus alter Verbundenheit. „Nur habe ich kein Glück gebracht, ich sollte besser wegbleiben.“ Mal sehen, ob er der Nationalelf mehr Glück bringt. Haltung hat er jedenfalls.  awe

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