Altenmarkt – Wie heißt nun der kleine Hirscher? Angeblich ist Skirennfahrer Marcel Hirscher in der Nacht von vergangenen Samstag auf Sonntag Vater eines Buben geworden. Eine Bestätigung dieser Nachricht gab es vom 29-Jährigen auch beim Medientag seines Ausrüsters Atomic nicht. Sein Privatleben schützt Hirscher so konsequent, wie er im Winter durch die Tore carvt. Dafür sprach er im kleinen Kreis über alles andere: von weiteren Zielen, von den ermüdenden Seiten des Rennfahrer-Lebens und von Gedanken, die Bretter abzuschnallen. Marcel Hirscher über …
… seine Aussage, auch als siebenfacher Gesamtweltcup-Sieger noch besser werden zu können:
„Um es zu erklären: Wenn ich heute eine Handstand mache, kann ich den momentan 30 Sekunden halten. Da ist noch viel Luft nach oben. Wenn ich Kniebeugen mache, mache ich die mit soundsoviel Kilogramm auf den Schultern – auch da ist noch Luft nach oben. Was ich meine: Ich habe noch nicht ausgelernt in meinem Leben. Auch nicht beim Skifahren. Ich kann noch beim Buckelpistenfahren besser werden, in der Abfahrt. Ob ich beim Slalom noch besser werde? Vielleicht in Nuancen. Ich versuche nach wie vor, den Hunger nicht zu verlieren, besser zu werden. Das heißt aber auch nicht, dass ich nächstes Jahr 15 Rennen gewinnen werde. Blödsinn.“
… seine scheinbar nie nachlassende Motivation:
„Das war vor 15 Jahren nicht anders als heute. Ich mag einfach nicht Zweiter werden. Das habe ich stark in mir drinnen. Deshalb versuche ich, alles aus mir rauszuholen. Das war bei Kinder- oder Schülerrennen nicht anders. Und heute ist es auch nicht anders. Egal, wie viel ich erreiche, ich will immer das Maximum aus mir rausholen. Das hat man oder nicht.“
… einen achten (!) Gesamtweltcup in Serie?
Die Uhr steht auf Null. In Sölden schaut man, wo man steht. Das gleiche Spiel wie immer. Dann kann man sich einordnen und wird sehen, ob es berechtigt ist zu sagen: Okay, man fährt um die Weltmeisterschaft und Kugel mit. Oder nicht. Wenn es dann passiert, wunderbar. Wenn nicht, wird es das Leben nicht verändern. Für mich ist wichtig: Wenn ich fahre, will ich so fahren, wie es jeder von mir erwartet. Ich eingeschlossen. Ich fahre nicht Ski für einen 30. Platz.“
… Überlegungen, sein Rennprogramm zu reduzieren:
„Mein ganzes Leben lang war der Sport die absolute Nummer eins. Alles, das komplette Privatleben, war dem Sport untergeordnet. Jetzt wird sich das ändern. Dann kann es sein, wenn ich gerade woanders gebraucht werde, dass ich nicht zu diesem Rennen fahre. Weil es dann Wichtigeres gibt. Fertig. Viele bestätigen mir, dass das in anderen Berufen normal ist. Zum Beispiel die Übersee-Rennen: Wenn ich erkenne, die sind zu weit weg, die kosten mich zehn Tage plus Jetlag und Akklimatisierung, dann kann es sein, dass ich sage: Das ist es mir nicht mehr wert.“
… Gedankenspiele, zum Abschluss der Karriere noch Abfahrer zu werden:
„Nein. Ich habe lange überlegt. Aber wenn es überhaupt möglich wäre, schnell zu werden, bräuchte man drei, vier Jahre, bis man die Strecken auswendig kennt. Das wäre ein Riesenprojekt. Dazu bin ich nicht mehr bereit.“
… seine sehr konkreten Rücktrittsgedanken nach dem vergangenen Winter, dem besten seiner Karriere mit zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang, 13 Weltcupsiegen, dem Gesamtweltcup:
„Jedes Rennen, das ich jetzt noch mitnehmen kann oder darf, ist ein Mehrwert, ein Geschenk. Weil das Aufhören so nahe war. Ich mag kein „Raunzer“ werden. Aber es ist einfach die Summe an Nebenbelastungen – Skifahren ist der kleinste Teil von diesem riesigen Job. Das ist irgendwann ernüchternd.“
… den Moment, als die Entscheidung fiel, die Karriere doch fortzusetzen:
„Das war, als mich das Team gefragt hat: ,Was machen wir jetzt? Brauchen wir einen neuen Rennfahrer oder geht’s eh weiter?‘ Ich habe gemerkt, wie sich mein Körper verhält. Beim Motocrossfahren zum Beispiel hast du oft so eine Schwelle, wo es schwer wird, aber du merkst, dass der Körper voll motiviert ist. Ich habe schon Jahre gehabt, wo es wesentlich schwieriger war. Jetzt habe ich gemerkt: Der Körper ist gut drauf, der Kopf auch – es wäre zu schade gewesen zu sagen: Aus, fertig.“
… die letzte Vorbereitungsphase vor dem Saisonstart am 28. Oktober:
„Warten bis der Fön nachlässt (lacht). Momentan ist es so warm auf den Bergen, das ist ein Wahnsinn. Ich habe mir vorher im Auto gedacht: Bist wahnsinnig, 24 Grad! Deshalb ist es für alle Athleten aktuell schwierig, ernsthaft eine Rennsimulation im Training vorzufinden. Es macht für mich keinen Sinn, momentan Ski zu fahren, nur um Ski zu fahren. Wenn Sölden stattfindet, wäre es wichtig, dass wir alle vorher nochmal g’scheit trainieren können. Sonst ist keiner parat.“
… das Karriereende:
„Es ist alles offen. Wie immer.“
Aufgezeichnet von Jörg Köhle