I mog di

von Redaktion

Niko Kovac’ 100 Tage-Bilanz ist getrübt – doch die Bosse visieren ihn nicht an

VON ANDREAS WERNER

München – Karl-Heinz Rummenigge visiert konzentriert an, drückt kühl ab – pling, gleich ein Treffer! Ohne zu zögern feuert er einen Schuss nach dem anderen ab, hinter seiner Schulter zählt Uli Hoeneß bestens gelaunt die Treffer im Stakkato mit. Es ist ein skurriles Video, das vom Oktoberfestbesuch des FC Bayern seit Sonntag im Internet zirkuliert. Rummenigge wird am Schießstand gefeiert. Sie haben sich mal ausgetobt, ein gutes Zeichen für Niko Kovac.

Er wird nicht anvisiert.

Das kurze Video von der (ab)schusswütigen Chefetage taugt auch kaum als das stilbildende Motiv dieser Bayern-Woche. Sondern vielmehr, wie sich Rummenigge und Kovac im „Käfers“ zuprosten. Über ihren Köpfen baumeln ein paar mit Helium gefüllte Luftballons von der Decke. Es war, wenn gewollt, ein sehr, sehr kluger Schachzug, dass auf einem der roten Herzerln „I mog di“ stand. Und dass die restlichen Luftballons Marienkäfer waren, passte auch ganz gut. Die sollen bekanntlich Glück bringen. Als Himmelsboten von Mutter Maria sind sie zwar vornehmlich für den Schutz von Kindern und das Heilen von Kranken zuständig. Aber so genau sollte es der FC Bayern dieser Tage nicht nehmen. Glück kann man gerade gut gebrauchen.

Kovac ist nun die berühmten 100 Tage im Amt, nach denen ein mehrheitsfähiges Urteil erstmals zulässig ist. Er macht es einem nicht leicht, denn der starke Start ist gehörig eingetrübt worden. „Es waren schwierige zehn, 14 Tage“, sagte Thomas Müller gestern auf einem PR-Termin. Die vier Spiele ohne Sieg seien auch intern „heiß diskutier“ worden. „Wir arbeiten alle mit Hochdruck, dass wir wieder die Ergebnisse liefern und die Spielkultur, die vom FC Bayern erwartet wird.“

Nur Platz sechs nach sieben Spieltagen, so schlecht stand man zuletzt 2010 da – Louis van Gaal musste im Frühjahr gehen. Kovac muss sich allerdings nicht fürchten. Er werde den Coach „bis aufs Blut verteidigen“, sagte Hoeneß dem „kicker“, hinter den Kulissen herrsche „die totale Ruhe“. Er habe nicht „eine Sekunde daran gedacht“, Kovac zu schwächen, versicherte der Präsident, dessen Aussage, der Trainer müsse bei der Rotation „am Ende den Kopf hinhalten“ von vielen genüsslich missinterpretiert worden war. Kovac wird am Montag seinen 47. Geburtstag feiern – und das freilich weiterhin im Rang des Bayern-Coaches.

Hinter den Kulissen will man sich nicht beirren lassen. Von paradiesischen Zuständen wird da geschwärmt, und man ist weiter der Überzeugung, mit Niko Kovac einen Glücksgriff getan zu haben. Seine ersten Amtshandlungen hatten alle überzeugt, er kam gut an, nicht zuletzt bei den Spielern. Der Kroate ruht in sich, der Glaube gibt ihm viel Halt, und viel mehr als ihn sehen die Bosse das Team in der Pflicht, was redlich ist – denn sie haben dieses Team ja auch zusammengestellt. Mit all den Problemzonen, die zusehends schwerer zu kaschieren sind.

Kovac hat noch keinen Stil gefunden und mit der radikalen Rotation die Statik angegriffen. Es gibt keine Achse, doch nur zu einem Teil trägt er da die Schuld: Die Bosse sehen in den alterenden Flügelflitzern Franck Ribery und Arjen Robben noch immer die Männer der Zukunft – doch die flinken Dortmunder setzen gerade neue Maßstäbe. Im Mittelfeld fehlt einer, der den Hut aufsetzt. Das zeichnete sich schon im Sommer ab, die Hoffnungen ruhten da auf einem Impuls aus der Mannschaft heraus – und auf James. Aber ausgerechnet der ist verstimmt und spielt den Miesepeter. So, wie die Bosse gerade drauf sind, legen sie eher auf so einen an als auf den Coach, auf ihren Coach.

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