München – Bevor die Spieler des 1. FC Nürnberg alle zwei Wochen im Max-Morlock-Stadion aufs Feld gehen, spricht zu ihnen der Torhüter. Der großartigste, den der „Club“ jemals hatte – noch größer als Andy Köpke, der deutsche Nummer-eins-Torwart nach Bodo Illgner und vor Oliver Kahn. Heiner Stuhlfauth ist die Legende schlechthin, fünf Mal wurde Nürnberg mit ihm Deutscher Meister, das war in den 20er-Jahren.
Stuhlfauths Spruch lautet: „Es ist eine Ehre, für diese Stadt, diesen Verein und die Bewohner Nürnbergs zu spielen. Möge all dies immer bewahrt werden und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen.“ Der Spruch prangt über der letzten Tür, durch die die Profis von heute gehen müssen. Dann sind sie draußen – und der Bundesliga-Konkurrenz ausgesetzt.
Die Heimspiele verlaufen ja noch schadlos, darum steht der Club auf einem 12. Platz, mit dem man als Aufsteiger leben kann. Aber auswärts kommt es gerade ganz furchtbar. 0:7 in Dortmund, 0:6 in Leipzig. Da stellt sich die Frage nach der von Heiner Stuhlfauth definierten Ehre – und mehr noch nach der Klasse, vor allem auf der Torhüterposition. Fabian Bredlow, 23, ist der Mann in der fränkischen Schießbude – noch. Doch er weiß selbst, dass die Diskussion um ihn nicht mehr aufzuhalten ist: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Bredlow wurde in Leipzig und Salzburg ausgebildet, er war Nürnbergs Aufstiegstorwart. Eine saubere Vita eigentlich. Trotzdem wurde vor dieser Saison gezweifelt, ob Bredlow die Qualität für die Bundesliga hat. Indes, der Transfermarkt gab keine überzeugendere Lösung her. Was zu einer bitteren Wahrheit führt: Deutschland ist nicht mehr das Land mit unerschöpflichen Torwartquellen.
Etliche Vereine haben internationale Nummer-eins-Besetzungen: Dortmund und Mönchengladbach mit den Schweizern Bürki und Sommer, in Bremen wird der Tscheche Pavlenka gefeiert, in Leipzig hält sich der Ungar Gulasci, Hertha BSC weiß das Torhüteramt beim Norweger Jarstein in sicheren Händen, in Leverkusen amtiert der Finne Hradecky, in Wolfsburg der Belgier Casteels. Die ersten fünf Plätze der Tabelle belegen Teams mit einem ausländischen Torwart – der FC Bayern mit Manuel Neuer ist derzeit ja nur Sechster. Eine Geschichte wie vor einigen Jahren die von Marc-Andre ter Stegen oder Bernd Leno, die aus der A-Jugend kommend sich sofort in der Bundesliga bewähren „und mit 19 eine Ausstrahlung haben, als wären sie schon seit Jahren dabei“ (so damals Bundestrainer Joachim Löw), hat man schon lange nicht mehr erlebt.
Ausgenommen den Frankfurter Paris-Rückkehrer Kevin Trapp gibt es derzeit keine deutschen Torhüter in der Bundesliga, die in den Dunstkreis der Nationalmannschaft vordringen könnten. Ob Ralf Fährmann (Schalke), Oliver Baumann (Hoffenheim), Ron-Robert Zieler (Stuttgart), Michael Esser (Hannover), Alexander Schwolow (Freiburg), Robin Zentner (Mainz – Vertreter des dauerverletzten René Adler), Andreas Luthe (Augsburg) – das ist besserer bis schlechterer Durchschnitt. Fortuna Düsseldorf, Aufsteiger neben Nürnberg, setzt gar auf einen, der schon ein „erledigter Fall“ war: Michael Rensing, 34 – beim FC Bayern einst als Kahn-Erbe vorgesehen und der Erwartung nicht gerecht geworden.
In Nürnberg wird es wohl zum Wechsel auf der Torhüterposition kommen. Für Bredlow soll Christian Mathenia, 26, übernehmen, vorige Saison bei Absteiger Hamburger SV und öfter als schlechtester Torwart der Bundesliga gescholten.
Den Zweiflern in Nürnberg hat er versucht zu erklären, warum er oft schlecht aussah: Mangelnde Qualität der Feldspieler. Auch das ein Problem. Nicht nur des HSV.