Spannungsabfall nach der Pause

von Redaktion

Erneut verspielt 1860 binnen weniger Minuten eine 1:0-Führung – Bierofka beklagt fehlende Gier

von uli kellner

München – Um 14.38 Uhr am Samstag sah die Löwen-Welt so aus, wie sich das tiefblaue Fans zum Wiesn-Start erträumt hatten. Soeben hatte Herbert Paul seinen erstaunlichen Lauf fortgesetzt und einen Eckball von Phillipp Steinhart ins Tor des SV Wehen geköpft. Der aufstrebende Rechtsverteidiger erzielte zum dritten Mal in Folge das 1:0 für den TSV 1860 und jubelte vor der Westkurve, in der die Ultras zuvor mit einer Choreo Lust aufs „Oktoberfest 2018“ geweckt hatten. Zeitgleich lag die SpVgg Unterhaching, Derbygegner am Mittwoch, beim Tabellenletzten Meppen hinten, und was das bedeutete, dürfte sich im Zeitalter von Smartphones und Echtzeitmedien schnell herumgesprochen haben: 1860 grüßte in der Livetabelle von Platz 2 – und hätte damit nicht nur den kleinen Vorstadtrivalen hinter sich gelassen, sondern auch Vorzeichen geschaffen, die das weißblaue Selbstverständnis grundsätzlich widerspiegeln.

Eine Stunde später war sie dann dahin, die Hochstimmung der Löwen – und auch in der Tabelle lag 1860 wieder unter Haching. Zum Leidwesen des Aufsteigers ist es nämlich so, dass Fußballspiele eine 15-minütige Unterbrechung vorsehen, in der Spannung auf- und offensichtlich auch abgebaut werden kann. Bei 1860 ist derzeit Letzteres der Fall. Bereits beim 2:2 in Rostock hatte Daniel Bierofka einen dreiminütigen Tiefschlaf beklagt und über zwei Blitzgegentore nach der Pause gestöhnt. Diesmal waren es sechs Minuten, in denen sich sein Team unsortiert zeigte und durch Stellungsfehler des zuletzt hochgelobten Steinhart ins Hintertreffen geriet. Der eingewechselte Nicklas Shipnoski hatte zweimal leichtes Spiel – und Bierofka hinterher einen dicken Hals.

„Wir haben es heute einfach nicht verdient gehabt“, grantelte der 1860-Coach und meinte damit auch die wenig inspirierte Offensive: „Mir hat die Präsenz gefehlt, die letzte Gier, das Tor zu machen und hinten konsequent zu verteidigen. Wir haben wieder zwei Tore hergeschenkt.“ Einziger Unterschied zu Rostock war, dass es diesmal nicht mehr zum Ausgleich reichte, obwohl die Hereinnahme von Sascha Mölders noch ein kleines Aufbäumen brachte nebst der einen oder andere Großchance. Torschütze Paul sah sein Team erneut um drei Punkte gebracht. „Es ist einfach Scheiße, dass wir das Spiel verloren haben“, haderte er: „Heute wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen.“

Auf bittere Weise bestätigte sich, was Bierofka bereits am Vortag über den Ist-Zustand des Drittliganeulings geurteilt hatte. Einerseits hatte er auf die grundlegende Wehrhaftigkeit des Teams hingewiesen („Wir prügeln es in ihre DNA rein“), andererseits aber angemerkt: „Wir sind eine ordentliche bis gute Mannschaft. Für ganz oben fehlt aber noch etwas. Sechs bis sieben Spieler waren letztes Jahr noch in der Regionalliga. Uns fehlt die Cleverness und Erfahrenheit. Kleinigkeiten werden in der 3. Liga viel mehr bestraft.“

Siehe Rostock, siehe auch Wehen. Die 1860-Profis müssen sich vorwerfen lassen, mit zu wenig Nachdruck auf das 2:0 zu spielen – und beim Anblick der Tabelle ihren Eifer der ersten Spiele zu vernachlässigen. „Ich stelle mich immer vor meine Mannschaft“, sagte Bierofka, „aber ohne diese Gier – da haben wir es einfach nicht verdient.“

Das Gute ist: Am Mittwoch kann alles schon wieder ganz anders aussehen. Es geht nach Unterhaching – und obwohl Adriano Grimaldi den Coolen spielt („Für mich ein normales Drittligaspiel“), sollte das Duell ein motivatorischer Selbstläufer sein. Speziell zur Wiesnzeit dürfte jedem daran gelegen sein, ohne den Makel des Derbyverlierers durch die Stadt zu laufen.

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