Gelsenkirchen – „Zwei Minuten!“, brummte es aus dem Hintergrund. Hinter Hasan Salihamidzic war das Surren der Rollkoffer zu hören, als die Spieler des FC Bayern durch den Kabinengang der Schalke Arena verschwanden, die wie ein Bergwerksstollen gestaltet ist. Die Zeit drängte. Am Flughafen wartete die Maschine in die Heimat, und lange Verzögerungen wollte sich der Rekordmeister nicht erlauben. Hektisch geht es nach Samstagsspielen öfter mal zu, aber so gehetzt sind die Münchner selten. Nicht viel mehr als 20 Minuten, nachdem das 2:0 bei Schalke 04 besiegelt war, waren sie verschwunden.
Das war auch schon die einzige Phase an diesem Abend, in der die Bayern in Bedrängnis gerieten. Der Rest war eine vergleichsweise gemütliche Angelegenheit. Nie ließen die Gäste auch nur den Hauch eines Zweifels, welches Ende die Partie nehmen würde. „Anfangs“, stellte der Schalker Trainer Domenico Tedesco fest, „sind uns die Bälle nur so um die Ohren geflogen.“ Früh gingen die Gäste in Führung (James, 8.), vergaben ein paar exzellente Chancen, legten irgendwann nach (Lewandowski, 64./ Foulelfmeter) und schalteten zu einem Zeitpunkt in den Verwaltungsmodus, wo viele Partien erst in die spannende Phase gehen. Der Auftritt der Bayern erinnerte – jedenfalls bis zur Vorentscheidung – an Speed Dating. Ohne Umschweife, aufs Wesentliche reduziert.
Wer auf diese Weise sein Glück findet, wird an der modernen Form des Kennenlernens nichts auszusetzen haben. Sehr romantisch ist es halt nicht mehr. Auch in der Bundesliga drängt sich nach vier Runden schon wieder das alte Thema auf, woher noch das Prickeln kommen soll, wenn selbst die umfassend umgebauten Bayern (Goretzka, Süle, Thiago, Müller für Boateng, Martinez, Sanches, Robben) sich keinen Moment der Verlegenheit erlauben. Die wenigen Fragen, die in der Kürze der Zeit gestellt werden konnten, zielten mehrheitlich in diese Richtung: Was soll in den letzten 30 Spielen noch schiefgehen, erkundigte sich einer, wo doch schon das anspruchsvolle Startprogramm den Bayern nichts anhaben konnte. Und wer soll ihnen konkret noch gefährlich werden?
Der Zeitpunkt ist irritierend früh. Doch das haben die Bayern sich selbst zuzuschreiben. Nico Kovac freute sich über sein Team, das „90 Minuten dominant“ gewesen sei. Und das bei einem Gegner, der noch vor ein paar Monaten die Nummer zwei im Lande war. Nun, im trüben Herbst, scheint Schalke gar nichts mehr zu gelingen. Dazu passt, dass das Arenadach zum Schutz gegen den kräftigen Regen geschlossen wurde. Nur an einer Stelle tropfte es durch. Über Tedescos Coachingzone.
Mit professioneller Unverbindlichkeit nehmen die Bayern das Geraune um die Chancenlosigkeit der Konkurrenz hin. „Ich weiß, dass es alle so sehen, aber ich sehe das genauso wenig so wie meine Mannschaft“, beteuerte Kovac. Sie sind ja immer noch dabei, sich kennenzulernen wie ein frisch verliebtes Paar. Da hört man nicht gerne, dass alles sowieso einen vorhersehbaren Verlauf nehmen wird.
Das ganze Auftreten der Bayern aber erinnert schon wieder an Zeiten, die noch nicht lange zurückliegen und in denen der Rest der Liga ebenfalls über lähmende Monotonie klagte. Ob bei Sportdirektor Salihamidzic, der eine „Demonstration“ gesehen hatte, „wie man Fußball spielt“. Oder bei Thomas Müller: „Wir bringen jedes Spiel sehr viel Qualität auf dem Platz, aber auch sehr viel Intensität.“
Während die Schalker darüber diskutierten, wie sie mit dem Stürmer Di Santo umgehen sollen, der über seine Auswechslung öffentlich schmollte, gingen die Bayern mit einem vergleichbaren Fall wesentlich entspannter um. Dass Franck Ribery darüber verstimmt war, nach 84 Minuten den Platz für Serge Gnabry zu räumen, bewertete Kovac milde: „Ich habe ihm gesagt, du hast ein supergutes Spiel gemacht, aber der Serge möchte auch noch ein paar Minuten spielen.“
So schnell zeichnet sich kein Szenario ab, das den Bayern Sorgen bereiten würde. Das Spiel am Dienstag gegen Augsburg? Ein Derby. „Die spielen wirklich guten Fußball“, erinnerte Leon Goritzka (der bei seiner Rückkehr einen überraschend ruhigen Abend erlebte). Die Partie am Freitag in Berlin, beim aktuell Tabellenzweiten? Ein Spitzenspiel, da sind die Sinne eh geschärft. Und dann ist auch bald schon wieder Länderspielpause.
Passend dazu trifft sich die Mannschaft dann am letzten Wiesn-Wochenende auf eine Mass oder auch mehr. Bis dahin, räumte Salihamidzic am Samstag ein, „ist vielleicht mal ein Radler drin“. Dann musste er los, sein Zwei-Minuten-Auftritt hatte eh schon dreieinhalb gedauert. „Abfahrt!“, brummte es aus dem Hintergrund. Servus, Schalke, war nett bei Euch.