Singapur – Charles Leclerc sitzt erst in sechs Monaten in einem roten Auto. Die erste Kampfansage an seinen prominenten zukünftigen Partner Sebastian Vettel hat er trotzdem schon mal abgegeben. „Mit dem aktuellen Ferrari kann man Weltmeister werden“, sagt der 20-Jährige im Plauderton: „Und wenn das im nächsten Jahr auch so ist, dann ist der Titel mein Ziel.“
Der Wechsel des Rookies von Sauber zur Scuderia ist seit Dienstag offiziell. Für Ferrari durchaus kein schlechter Fang. Leclerc gilt als vielleicht größtes Talent der neuen Generation. Das weiß er, auch deshalb hat er auf falsche Bescheidenheit keine Lust: „Mein Ziel ist immer das beste Ergebnis, das mit meinem Auto möglich ist.“ Fahrer A und Fahrer B werde es bei Ferrari nicht geben, „beide Piloten fangen bei null an.“ Und es wird Leclerc durchaus zugetraut, neben Vettel eine gute Rolle zu spielen. 2016 hatte die Scuderia ihn als Teenager in ihre Driver Academy aufgenommen. Im selben Jahr gewann Leclerc die GP3-Meisterschaft, es folgte der Aufstieg in die Formel 2 und der nächste Titelgewinn als Rookie. Auch in der Formel 1 fuhr er mit dem eigentlich unterlegenen Sauber in Qualifyings und Rennen schon starke Resultate ein –- daher die Beförderung.
Für Ferrari ist die allerdings ein durchaus ungewöhnlicher Schritt, in Maranello war man daher vorsichtig. Leclerc bekam zunächst nur einen Vertrag für die kommende Saison. Die Botschaft. Talent hin oder her, er muss sich sofort bewähren.
„Ich komme nicht zu Ferrari, um zu lernen“, sagt er daher, „das soll ich in diesem Jahr bei Sauber machen. Im nächsten muss ich liefern.“ Druck verspüre er deshalb allerdings nicht: „Ich glaube, wenn ich meinen Job richtig mache, dann werden die Ergebnisse kommen.“
Das Erstaunliche ist: So selbstbewusst Leclercs Aussagen sind, so bodenständig wirkt er dabei. Eigenschaften, so sagt er, die ihm seine zwei verstorbenen Vorbilder vermittelt haben: Sein Vater Herve Leclerc – und Jules Bianchi, der selbst vor vier Jahren auf dem Sprung zu Ferrari stand, bevor ihn ein Unfall beim Großen Preis von Japan ziemlich jäh aus dem Leben riss.
„Mein Vater und Jules haben mich immer gelehrt, mit den Beinen auf dem Boden zu bleiben und gleichzeitig nach mehr zu streben“, sagt er: „Ich denke, wenn sie jetzt zu mir herunterschauen, dann tun sie das mit Stolz.“
Für Vettel bedeutet der Wechsel im kommenden Jahr eine neue Dynamik im Team. Seit 2015 fuhr er an der Seite seines Kumpels Kimi Räikkönen, den er meist im Griff hatte und der sich klaglos in die Rolle der Nummer zwei fügte. Ein junger Rivale, ein Ferrari-Zögling, dem die Zukunft gehören soll, dürfte das Klima auch für den Platzhirsch verändern.
„Er verdient es, zu uns zu kommen“, sagt Vettel: „Er wird schon ein paar Jahre gefördert, und es ist schön zu sehen, dass man dann auch die Chance kriegt.“ Und die geringe Erfahrung, glaubt Vettel, werde Leclerc bei dem Unternehmen nicht im Weg stehen. „Wenn man schnell und talentiert ist“, sagt er, „dann spielt das Alter keine Rolle.“ sid