München – Niko Kovac wird nächsten Monat 47, er hat einen Bart, der gräulich schimmert, davon abgesehen merkt man ihm sein Alter nicht an. Regelmäßig mischt der Trainer des FC Bayern bei Übungsspielchen mit und gibt dabei eine gute Figur ab, er ist drahtig und hat einen beneidenswert flachen Bauch. Als er sich am Freitag in der Pressekonferenz darauf berief, bei Personalentscheidungen entscheide „ein bisschen Erfahrung und ein bisschen Bauchgefühl“, war das trotzdem kein Widerspruch. Zumal Kovac hinzufügte, er verlasse sich bei der Beurteilung von Spielern selbstverständlich nicht nur auf seinen, sondern „auch die Bäuche der Kollegen“ im Trainerstab.
Der Umgang mit einem Kader wie dem des FC Bayern ist so bereichernd wie tückisch. Ständig sind Egos zu bändigen, weil wieder mal hochdekorierte Profis auf die Bank müssen, obwohl sie selbst sich ganz objektiv in der Startelf sehen würden. In diesem Spannungsfeld hat sich Kovac bislang gut behauptet. Bis auf einige wenige schmallippige Kommentare (Mats Hummels, Arjen Robben) sind seine Entscheidungen ohne Widerspruch aufgenommen worden. Und einzelne Bayern wie Robert Lewandowski, Thomas Müller oder Leon Goretzka kommen unter dem neuen Chef auffallend gut zurecht.
Bevor der Trainer am Freitag den Presseraum verließ, versicherte er: „Glauben Sie mir, alle Spieler werden viele Spiele machen. Jeder wird glücklich sein.“ Gemeint war das ganz normale Pensum bei einem Club wie den Bayern, das so umfangreich ist, dass man zwangsläufig den Kader in seiner ganzen Tiefe ausschöpfen muss. Nach zweiwöchiger Länderspielpause beginnt bereits am Samstag mit dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen eine Phase mit sieben Partien in drei Wochen. Da, glaubt Kovac, kommt jeder zu seinem Recht.
Zum Beispiel Renato Sanches, über den oft geredet wird, der aber in den vergangenen Wochen kaum zu sehen war. Der Trainer attestiert dem Portugiesen große Fortschritte, und wenn am Dienstag die Reise zum Champions League-Auftakt bei Benfica Lissabon ansteht, wird Sanches sicher dabei sein: „Nicht nur als Reiseführer.“
Kovac legt sich nicht verbindlich darauf fest, bereits beim ersten von sieben Spielen mit dem Rotieren zu beginnen. Aber ausschließen kann er es auch nicht. Kandidaten gäbe es einige. Franck Ribery absolvierte das Freitagstraining nur im Fitnessraum, nachdem er am Mittwoch eine Blockade im Oberschenkel verspürt hatte, Mats Hummels klagte über leichte Achillessehnenprobleme. Wie sein Vorgänger Jupp Heynckes legt der Trainer im Umgang mit Blessuren Wert auf maximale Vorsicht. Und es besteht ja auch kein Grund zum Risiko. Der Kader ist voller Spieler, die sich aufdrängen, und die Saison noch jung.
Erst mal wollen die Bayern den Schwung der ersten Saisonpartien wieder aufnehmen. Vieles hat vielversprechend geklappt, aber die einschlägigen, leicht resigniert klingenden Reaktionen aus der Liga weiß Kovac trotzdem einzuordnen. „Es ist jedes Jahr dasselbe: Die Bayern sind unschlagbar“, sagt er mit sanfter Ironie. Dabei sind für ihn die Verhältnisse längst nicht so eindeutig. Leverkusen zum Beispiel empfindet er nicht annähernd als so schwach, wie es die Punktausbeute (null) scheinbar besagt: „Wenn es etwas anders gelaufen wäre, könnten sie jetzt sechs Punkte haben.“
So aber erscheinen die Verhältnisse eindeutig. Während Kovac den Eindruck erweckt, als läge er bei allen wichtigen Entscheidungen richtig, wird es für Heiko Herrlich in Leverkusen bereits ungemütlichen. „Wo kommen wir da hin“, fragt Kovac, „wenn ein Trainer, der letzte Saison so erfolgreich war, so früh in Frage gestellt wird?“ Er erwartet für Samstag „einen harten Kampf“. Das sagt ihm nicht nur sein Bauch.