Ein bisschen mehr Flair

von Redaktion

Joachim Löws neue Nationalmanschaft nimmt Konturen an – auch mit Blick auf Weltmeister Frankreich

VON ANDREAS WERNER

München – Als Neymar vor einem Jahr für stolze 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris St. Germain gewechselt war, leuchtete der Eiffelturm in den Farben des Clubs. Dieses Jahr kam Thilo Kehrer, der Schalker war 37 Millionen Euro wert, und das Wahrzeichen erstrahlte bei diesem Transfer nicht extra. Deutsche Exportartikel sind derzeit keine Hits. Schon gar nicht in dem Land, das Joachim Löws Team gerade als Weltmeister abgelöst hat.

Thilo Kehrer posierte trotz allem am Eiffelturm, das ist ja Pflicht irgendwie, und neben ihm lächelte Julian Draxler, der schon länger in Paris dem Ball nachjagt. Das Foto dürfte sich auch der Bundestrainer genau angesehen haben. Die beiden Exil-Franzosen sind Kandidaten für das Nationalteam, das langsam neue Konturen annimmt. Ein bisschen mehr französisches Flair sollte man schon ausstrahlen, sobald der Umbau abgeschlossen ist. Und den Weltmeister Frankreich kann der Bundestrainer da gerne im Blick haben. Als Vorbild und als ersten Gradmesser. Bereits am 6. September kommt es in München zum Duell mit der Equipe Tricolore. Eine Niederlage zum Start der Nations League würde die Diskussion um seinen Verbleib aufs Neue entfachen. Wer in dem neuen Länderspiel-Format nach den Hin- und Rückspielen Letzter seiner Dreiergruppe ist, steigt in die nächsttiefere Spielkasse ab; die DFB-Auswahl muss sich gegen Frankreich und die Niederlande behaupten. Keine Laufkundschaft im europäischen Fußball.

Mit Spannung erwartet die Republik, wem Löw bei dem Projekt, verlorene Herzen zurückzuerobern, vertraut. Dass Toni Kroos weitermacht, begrüßte er ausdrücklich: „Ihm kommt eine ganz wichtige Rolle zu – auf und neben dem Platz“, sagte der Bundestrainer über den Taktgeber von Real Madrid, der sich neben Torwart Manuel Neuer weiterhin als gesetzt fühlen darf. Neben Kehrer werden Leverkusens Kai Havertz, Philipp Max (Augsburg), dem Hoffenheimer Mark Uth, Bayerns Serge Gnabry und womöglich sogar Herthas Jungspund Arne Maier gute Chancen eingeräumt, bald Bewährungsproben zu erhalten. Hoffenheims Kevin Vogt hat sich ins Gespräch gebracht, Willi Orban hegt bei Leipzig Hoffnungen.

Bisher haben sich nur Mesut Özil und Mario Gomez (der aber mit einem Hintertürchen) aus der Nationalelf verabschiedet, die zuletzt als Wackelkandidaten geltenden Sami Khedira und Ilkay Gündogan hingegen signalisierten nun, dass sie weiter bereit stehen, wenn Löw anruft. In der Abwehr müssen sich Jerome Boateng, Mats Hummels, Joshua Kimmich und Niklas Süle keine Sorgen machen, ebenso zählen Marc-André ter Stegen, Marco Reus, Julian Brandt, Thomas Müller, Leon Goretzka und Timo Werner zum Kreis derer, die die DFB-Auswahl nun wieder salonfähig machen sollen. Eine große Frage wird sein, ob Leroy Sané ab sofort durchstartet. Der Flügelsprinter, von Löw vor der WM aussortiert, spielte bei Manchester City in dieser Saison bisher drei Minuten. Hat wohl kein Flair – und kaum Strahlkraft.

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