Löwen gut, wenn der Ball ruht

von Redaktion

Die Standard-Stärke aus der Regional- in die 3. Liga mitgenommen – doch seine Konter muss 1860 besser ausspielen

VON ULI KELLNER

Osnabrück – Daniel Thioune wirkte aufgekratzt, als hätte er selber den rettenden Freistoß in den Winkel gehauen. „Meine Mannschaft hat eine unfassbare Mentalität“ schwärmte der VfL-Coach nach dem 2:2 gegen die Löwen, Osnabrücks drittem Last-Minute-Streich in Folge. Bei aller Begeisterung für die Moral seines Teams vergaß er aber auch die Gäste aus München nicht, die er ebenfalls in sein überschwängliches Fazit einschloss. „Sechzig ist eine Bereicherung für die 3. Liga“, sagte Thioune nach der letztlich gerechten Punkteteilung: „Wir sind glücklich, dass wir mit diesem Verein die Klingen kreuzen dürfen.“

Aber auch das ist dem früheren VfL-Profi aufgefallen: „1860 funktioniert vor allem mit Standards.“ Das war eine durchaus treffende Analyse, wie ein Blick auf die jüngere Vergangenheit beweist. Schon in der Regionalliga machten die Löwen spielerische Defizite durch Präzisionsarbeit bei ruhenden Bällen wett. Eine Stärke, die sie in die 3. Liga hinüberretten konnten: Beim 5:1 gegen Lotte resultierten das 1:0 und 4:0 aus Standards. Simon Lorenz und Felix Weber waren die Nutznießer, Philipp Steinhart jeweils der Absender präzise getimter Zuspiele. Und auch am Mittwoch, beim 2:2 an der Bremer Brücke, schlugen die Löwen nach Standards zu: Erst Grimaldi, der nach einem schlampig abgewehrten Steinhart-Freistoß abstaubte. Dann erneut Lorenz, der einen ruhenden Ball von Daniel Wein ins VfL-Tor jagte.

Für Steinhart, den wichtigsten Löwen, wenn das Spiel ruht, ist das Standardprogramm eine zwiespältige Geschichte. „Man sieht das ja: Wir machen schon viele Tore aus Eckbällen und Freistößen. Die trainieren wir auch oft“, sagte er und ließ ein großes Aber folgen. „Nur darauf verlassen sollten wir uns auch nicht.“

So zuverlässig nämlich der Ball bei Standards den Weg ins gegnerische Tor findet, so sehr stockt das Spiel, wenn sich Räume auftun, die nur darauf warten, genutzt zu werden. Nico Karger vergab einige dieser Konterchancen, auch der eingewechselte Marius Willsch – und sogar der erfahrene Sascha Mölders. „Wenn du auswärts 2:0 führst, dann musst du auch die Punkte mitnehmen“, mahnte Steinhart. „Umso bitterer war’s, dass wir uns in letzten 15, 20 Minuten so unter Druck haben setzen lassen und die Aktionen nach vorne nicht ausgespielt haben.“

Der Linksverteidiger mit dem feinen Fuß sieht es so: „Wir haben uns sehr reindrücken lassen, uns nicht mehr getraut, Fußball zu spielen. Und klar: Dann kassierst du in letzter Minute so ein Freistoß-Ding.“

Dieses verdammte Freistoß-Ding von Marco Alvarez – es machte die Arbeit kaputt, die die Löwen mit ihrer Standardkunst errichtet hatten. Es ist nämlich so, dass auch anderswo in dieser Liga nicht nur auf spielerische Elemente gesetzt wird. Quirin Moll, der zweitligaerprobte Sechser, gab den gut gemeinten Rat: „Wir müssen gegnerische Standardsituationen vermeiden und die Konter viel besser ausspielen. Dann hätten wir sie viel früher killen können. So ist das Spiel natürlich eine gefühlte Niederlage.“

Steinhart glaubt, dass die Erfahrung helfen kann, schon gegen Uerdingen ähnliche Missgeschicke zu vermeiden: „Du musst in dieser Liga 95 Minuten konzentriert sein.“ Moll sagte: „Das Gute an einer englischen Woche: Dass wir das ganz schnell abhaken und es am Sonntag schon gutmachen können.“ Heimsiege gehören nämlich auch zum Standardprogramm.

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