Erleichtert und ein bisschen traurig

von Redaktion

Robert Harting ist von seinem Abschied überwältigt und bereitet sich auf sein neues Leben vor

Berlin – Die Nacht war kurz, aber am Morgen danach war Robert Harting schon wieder zu Scherzen aufgelegt. „Ich habe das Bett berührt“, sagte der Diskuswurf-Olympiasieger zwölf Stunden nach seinem letzten großen Wettkampf grinsend. Bei der Pressekonferenz saß der Berliner gestern gut gelaunt neben Zehnkampf-Held Arthur Abele auf dem Podium. Auf dem Siegerpodest hätte er zum Ende seiner schillernden Leistungssport-Karriere auch gern noch einmal gestanden. Doch es sollte nicht sein: Der Berliner wurde bei der Leichtathletik-EM im Berliner Olympiastadion Sechster – 81 Zentimeter fehlten zur Bronzemedaille.

Auf Hartings Humor kann man sich aber auch künftig verlassen. „Ich wollte es ein bisschen wie Sandro Wagner machen: Hiermit trete ich aus der Nationalmannschaft zurück“, sagte der 33-Jährige. Am 2. September ist endgültig Schluss: Beim traditionsreichen ISTAF steigt Harting zum letzten Mal in den Ring, Das ganze Drehbuch ist auf den Publikumsliebling zugeschnitten. Die goldene Startnummer liegt schon bereit. „Ich werde am 3. September aufstehen und mich nicht mehr fragen: Wie kriegste das im Training heute hin?“

Im Olympiastadion war 2009 sein Stern aufgegangen. Und doch war er am Mittwochabend noch einmal überwältigt. „Wie soll ich es anders beschreiben? Es ist ein bisschen erdrückend, erleichternd, nicht berauschend. Ein bisschen traurig bin ich. Es ist sehr viel gerade“, sagte er.

Es war ein würdiger Abschied für das Gesicht der deutschen Leichtathletik. Stimmungsvoll wurde er vom Publikum gefeiert, auch wenn er selbst mit seiner sportlichen Leistung etwas haderte. Dass er allerdings trotz einer langwierigen Knieverletzung überhaupt als einziger deutscher Diskuswerfer im Finale stand – auch das war irgendwie typisch Robert Harting.

Denn kämpfen musste er eigentlich sein ganzes Leben. In der Dokumentation „Sechsviertel“ erklärte er, wie er in Cottbus in nicht gerade wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs. Jugendliche quetschten ihm eine Bierdose über dem Kopf aus. Harting schämte sich. „Ich habe krampfhaft überlegt, wie kannst du deine Position verbessern“, sagte er. Der Sport sollte ihm dabei helfen. Mit dem ersten Gold bei der WM 2009 in Berlin. „Zwischen 2009 und 2018 verglichen, ist das Stadion das gleiche. Aber ich bin nicht derselbe“, sagte er: „Mein Charakter hat sich total verändert. Ich war damals ein Niemand und schaffte es, einen großen Wurf zu machen.“

Harting war dabei aber auch immer ein streitbarer Geist. Er legte sich mit dem Weltverband IAAF an, rief die deutsche Sportlotterie mit ins Leben, blieb auch beim Thema Anti-Doping-Gesetz engagiert – und attackierte sogar IOC-Präsident Thomas Bach.

Sportlich brachte aber das Jahr 2014 das wohl einschneidendste Erlebnis, als er sich das Kreuzband riss. Eine Verletzung, von der er sich nie mehr richtig erholte.

Dennoch: Auch am Mittwochabend gab er noch einmal alles, obwohl nur eingeschränktes Training möglich war. „Er hat fantastisch gekämpft. Es war ein toller Wettkampf“, sagte Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport: „Es war der Robert, den wir uns gewünscht haben: angriffslustig.“

Und wie wird er nun sein Leben gestalten? „Es wird nicht lange dauern, da habe ich neue Aufgaben, die werde ich dann mit voller Geistes- und Körperkraft erledigen“, sagte er und schloss dabei sowohl einen Rücktritt vom Rücktritt als auch einen Job als Trainer aus.  dpa/sid

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